Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Köbele
Vom Netzwerk:
kannst du doch bestimmt etwas dagegen machen, oder?«
    Magnus zog nachdenklich an seiner Zigarette.
    »Komm rein, Alfie«, sagte er nach einer Weile. »Dann helfe ich dir.«
    Erinnerungen zu verändern, ist ein heikler Vorgang. Der Geist ist ein komplexes Netz und die Erinnerung ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses. Entfernt man die falsche Erinnerung, kann es passieren, dass der Patient vergisst, dass er sich an Feuer verbrennt. Doch Erinnerungen können abgemildert oder verkürzt werden. Ein begabter Hexenmeister – und was war Magnus, wenn nicht talentiert? – ist in der Lage, die Vergangenheit so umzuarbeiten, dass sie eine völlig neue Form und Farbe bekommt.
    Das war jedoch keine leichte Aufgabe.
    Warum Magnus dies ohne Bezahlung für einen Irdischen tat, der sich wochenlang auf seine Kosten durchgeschnorrt hatte, war nicht ganz klar. Vielleicht lag es daran, dass dieser Tag so großes Leid gebracht hatte und Magnus diesem Teil des Leids ein Ende bereiten konnte.
    Eine Stunde später spazierte Alfie aus Magnus’ alter Suite und konnte sich nur noch vage an ein Mädchen namens Louisa erinnern, das eine Busschaffnerin oder etwas in der Art gewesen sein musste. Oder vielleicht eine Bibliothekarin in seinem Heimatort? Er wusste nicht mal, warum ihm dieser Name gerade durch den Kopf gegangen war. Auch an das Vermögen, das ihm nur so kurz vergönnt gewesen war, erinnerte er sich nur schwach.
    Das alles war äußerst anstrengend. Als er fertig war, stützte sich Magnus aufs Fensterbrett und blickte über die Stadt und die weite Fläche des Central Park hinaus, über die sich langsam die Dunkelheit breitete.
    Da bemerkte er das seltsame Licht am Himmel über dem nördlichen Teil von Manhattan. Der kegelförmige Strahl war über der Skyline noch schmal und wurde zu den Wolken hin immer breiter; außerdem leuchtete er leicht grünlich.
    Und er hing unmittelbar über dem Hotel Dumont.
    Ein Taxi zu bekommen, war aussichtslos. Wirklich jedes Taxi der Stadt war besetzt und raste in halsbrecherischem Tempo durch die Straßen. Alle wollten irgendwohin: Einige versuchten, ihre Aktien abzustoßen oder irgendetwas zu verkaufen, andere hasteten, von nackter Panik getrieben, kopflos von einem Teil der Stadt zum nächsten. Also rannte Magnus den ganzen Weg durch den Ostteil des Parks bis zur 116. Straße. Das Hotel Dumont sah noch genauso aus wie beim letzten Mal. Die Vorhänge waren nach wie vor zugezogen, die Türen nach wie vor geschlossen. Das Gebäude war kalt, still und abweisend. Aber als Magnus an der Eingangstür rüttelte, stellte er fest, dass sie unverschlossen war.
    Als Erstes fiel ihm auf, dass das Hotel vollkommen leer zu stehen schien. An der Rezeption war niemand, in der Lobby war niemand, nirgendwo war irgendjemand. Das Gebäude mit seiner eleganten vergoldeten Prunktreppe war zweifelsohne prachtvoll. Alles war zudem plüschig und gepolstert. Ein luxuriöser rot-goldener Teppich bedeckte den Boden und vor den Fenstern hingen schwere Vorhänge, die von der Decke bis zum Boden reichten. Es war kühl, dunkel, gedämpft und beunruhigend still. Magnus sah nach oben und ließ den Blick über das Deckenfresko gleiten, auf dem pausbäckige Putten mit ausgestrecktem Finger aufeinander zeigten und fröhlich auf Weinranken in Gärten herumschaukelten.
    Links von ihm befand sich ein ausladender Torbogen, der von zwei Säulen mit Blumenmustern flankiert wurde. Dieser führte eindeutig in einen der herrschaftlicheren Räume des Hotels und Magnus beschloss, dass er genauso gut dort zuerst nachsehen konnte. Er öffnete die Tür. Dahinter verbarg sich ein Ballsaal – ein ausgesprochen prunkvoller – mit einem Boden aus weißem Marmor. Die Wände wurden von vergoldeten Balkonen gesäumt, dazwischen hingen vergoldete Spiegel, in denen sich der Raum bis ins Unendliche spiegelte.
    Was sich außerdem darin spiegelte, war ein Haufen menschlicher Körper, die am anderen Ende des Saals um etwas herumlagen, das aussah wie ein auf Hochglanz polierter Granitblock. Magnus war sich ziemlich sicher, dass es sich dabei um dieselben Leute handelte, die er neulich mit ihren vielen teuren Wagen beobachtet hatte. Vereinzelt waren noch Gesichter zu erkennen, überall lagen Fetzen der teuren Kleider herum, die hier und da noch mit einem Arm oder Torso verbunden waren. Der Boden von diesem Teil des Raumes war zur Gänze dunkelrot gefärbt; das Blut hatte sich gleichmäßig auf dem Marmor ausgebreitet wie eine dünne Glasur.
    »Beim Erzengel

Weitere Kostenlose Bücher