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Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Köbele
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ein Sardinensandwich und trank einen Kaffee. Er nutzte seine magischen Fähigkeiten, um den Kindern auf der anderen Straßenseite ihren verlorenen Ball zurückzubringen – die davon natürlich nichts mitbekamen. Trotzdem war er kurz davor aufzugeben, als plötzlich eine ganze Parade superteurer Automobile vor dem Hotel vorfuhr. Das Ganze hatte etwas von einer Ausstellung der nobelsten Autos der Welt – ein Rolls Royce, ein Packard, mehrere Pierce-Arrows, ein Isotta Fraschini, drei Mercedes Benz und ein Duesenberg – und alle waren so sehr auf Hochglanz poliert, dass Magnus sie im grellen Licht des Sonnenuntergangs kaum sehen konnte. Er blinzelte gegen die Tränen in seinen Augen an und beobachtete, wie ein Fahrer nach dem anderen den Schlag öffnete und die Fahrgäste aussteigen ließ.
    Es handelte sich ganz offensichtlich um wohlhabende Leute. Die Reichen erkannte man an den wundervollen Kleidern, die sie sich kauften. Die Allerreichsten dagegen schickten ihre Bediensteten nach Paris und ließen dort gleich eine komplette neue Kollektion aufkaufen, die außerhalb des jeweiligen Modehauses noch niemand zu Gesicht bekommen hatte. Diese Leute hier entstammten der zweiten Kategorie. Sie alle waren, wie Magnus bemerkte, zwischen vierzig und sechzig Jahre alt. Die Männer trugen Bärte und Hüte und die Frauen waren gerade eben nicht mehr jung genug, um die blütenrosa Chanelkostüme und flatterigen Chiffonkleidchen von Vionnet zu tragen, die sie erworben hatten. Schnellen Schrittes marschierten sie ins Hotel, ohne ein Wort zu wechseln oder gar anzuhalten, um den Sonnenuntergang zu bewundern. So wichtigtuerisch und fest entschlossen, wie sie aussahen, konnte sich Magnus gut vorstellen, dass sie zusammenkamen, um einen Dämon heraufzubeschwören. (Leute, die versuchten, Dämonen heraufzubeschwören, sahen immer so aus.) Was Magnus jedoch am meisten beunruhigte, war die Tatsache, dass sie dafür ganz offensichtlich Hilfe bei Aldous suchten. Dieser verfügte über Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich Magnus nicht einmal ausmalen konnte.
    Also wartete er. Eine Stunde verstrich. Dann fuhren die Wagen einer nach dem anderen wieder vor, die Leute stiegen ein und rollten in die New Yorker Nacht davon. Von Dämonen keine Spur. Nicht die geringste. Magnus glitt von seinem Barhocker und machte sich auf den Weg zurück zum Plaza, während er versuchte, sich einen Reim darauf zu machen.
    Vielleicht war ja wirklich nichts gewesen. Aldous hatte keine allzu hohe Meinung von den Irdischen. Möglicherweise hatte er sich mit dieser Gruppe ach-so-wichtiger Leute nur einen kleinen Spaß erlaubt. Es gab weitaus schlimmere Freizeitbeschäftigungen, als mit einem Haufen verblendeter und geistesschwacher Millionäre zu spielen und ihnen unter dem Vorwand, man würde ein bisschen für sie zaubern, das Geld aus den Taschen zu ziehen. Auf diese Weise hatte man im Handumdrehen ein Vermögen beisammen und konnte es sich die nächsten zehn Jahre an der französischen Riviera gut gehen lassen, ohne eine Finger rühren zu müssen. Vielleicht sogar zwanzig.
    Aber Aldous war nicht der Typ, der solche Spielchen spielte. Und zehn oder zwanzig Jahre – das waren nicht die Maßstäbe, in denen er Zeit bemaß.
    Vielleicht war Aldous einfach ein bisschen wunderlich geworden. Das kam vor. Magnus fragte sich, ob ihm in ein paar Hundert Jahren das Gleiche passieren würde. Vielleicht würde er sich dann ebenfalls in einem Hotel verbarrikadieren und seine Zeit damit verbringen, was auch immer mit reichen Leuten anzustellen. Unterschied sich das denn so sehr von dem, was er gegenwärtig tat? Hatte er nicht gerade erst den Morgen damit verbracht, den Müll aus seiner Bar für Irdische zu beseitigen?
    Es war Zeit, nach Hause zu gehen.

Oktober 1929
    Magnus hatte irgendwie das Interesse an der Bar verloren. Ursprünglich hatte er vorgehabt, sie nur für ein paar Tage zu schließen, doch aus den Tagen wurde eine Woche, dann zwei, dann drei. Solange das Mr Dry’s geschlossen hatte, wussten einige seiner Stammgäste allerdings nicht, wohin mit sich. Also kamen sie einfach Nacht für Nacht zu Magnus aufs Hotelzimmer. Anfangs waren es nur einer oder zwei, aber im Laufe einer Woche entwickelte sich ein konstanter Besucherstrom. Darunter befand sich auch die Hotelleitung, die höflich anfragte, ob Mr Bane möglicherweise gewillt sei, seine »Freunde und Weggefährten andernorts zu bewirten«. Magnus antwortete ebenso höflich, es handle sich nicht um Freunde und

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