Der Auftrag
lächelte mühsam. »Wie hast du sie genannt, Mama …?«
»Mama Zira. Eigentlich heißt sie Zahira. Sie stammt aus Carnath in Achlad, aber sie geriet bei einem Scharmützel in Gefangenschaft. Allerdings weiß ich nicht viel über ihre Vergangenheit, sie redet nicht gern darüber. Wahrscheinlich hatte sie es vor ihrer Ehe mit meinem Vater schlecht getroffen. Nur einmal hat sie erzählt, dass man sie früher Nachtblume genannt hat. Ein schöner Name, der zu ihr passt. Schade, dass du sie nie kennenlernen wirst. Sie hasst Margan und die Sonnenpriester, aber das kann ich verstehen.«
Jaryn war alles Blut aus dem Gesicht gewichen, aber in dem dämmerigen Licht fiel Rastafan das nicht auf. Er merkte nur, dass Jaryn verstummt war. Sanft küsste er ihn auf die Stirn. »Wenn sie dich kennenlernen würde, würde sie ihre Meinung ändern, da bin ich sicher. Aber es ist schon besser, wenn wir unsere Leute heraushalten. Ich kann dich schließlich auch nicht im Sonnentempel besuchen.«
Jaryn war speiübel. Er hatte die Nachtblume gefunden, und Rastafan war ihr Sohn. Er hatte den Prinzen gefunden! Ein Irrtum war ausgeschlossen. Sein Kopf fühlte sich plötzlich an wie mit Wolle ausgestopft. Er war keines klaren Gedankens mehr fähig. Rastafans Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm durch, aber er verstand kein Wort. Er wurde sanft gerüttelt, er spürte Küsse auf seinen Augen, seinem Mund, spürte Arme, die sich fest um ihn schlangen.
Ich muss fort, muss ihn fliehen, den Mann, der bald Razoreth gehörten wird! Es waren die ersten zusammenhängenden Gedanken, die er formen konnte. Ich werde geliebt von einem Ungeheuer! Rastafan weiß es noch nicht, aber bald wird er es sein. Wenn die Frist um ist, wird er sich nicht mehr dagegen wehren können. Was soll ich tun? Was hatte Anamarna gesagt? ›Wenn du ihn findest, musst du ihn zum Guten bekehren.‹ Bei Achays Licht! Wie soll ich aus dem Gesetzlosen Rastafan einen guten Menschen machen? Aus einem Mann, der Margan aus tiefster Seele hasst? Wie soll ich ihn davon überzeugen, seinen Hass und auch sein bisheriges Leben aufzugeben?
Schwarze Wolken zogen durch sein Gehirn, Gedanken zuckten wie Blitze darin hin und her. Und in seinem Magen schien ein Felsbrocken zu liegen.
»Jaryn!« Jetzt hörte er Rastafan seinen Namen rufen. Er wurde derb geschüttelt. »Jaryn, was ist mit dir? So antworte doch!«
Jaryns Gedanken rasten. Darf ich seinen Namen nennen? Was wird man in Margan tun mit dem Sohne Bagaturs, der dem Jammerturm entkommen ist und den der unselige Borrak immer noch in einer Folterzelle im Sonnentempel vermutete?
Sollte er Anamarna um Rat fragen? Aber was, wenn dieser ihm auftrug, Rastafans Namen öffentlich zu machen? Er würde es bestimmt tun, er würde nicht zulassen, dass der Prinz Razoreth verfiel, nur weil Jaryn Rastafan liebte. Dann gab es keinen Weg zurück. Anamarna war zwar weise, aber gegen die Mächtigen in Margan konnte er sich nicht auflehnen. Er konnte Rastafan nicht schützen.
Doch was, wenn Razoreth mit Rastafans Hilfe seine Herrschaft aufrichtete? Jaryns Zerrissenheit war zu mächtig. Statt einer Antwort warf sich Jaryn Rastafan in den Arm und klammerte sich verzweifelt an ihn, gequälte Laute drangen aus seinem Mund, nur mühsam konnte er ein Schluchzen unterdrücken. Rastafan war völlig ratlos. Was für ein Geist war plötzlich in Jaryn gefahren?
»Warum habe ich es nicht gespürt?«, flüsterte er heiser.
»Was denn gespürt?« Rastafan versetzte Jaryn leichte Schläge auf die Wangen. »Komm zu dir!«
Die Schläge begannen zu wirken, Jaryns Geist klärte sich langsam. Er starrte Rastafan an. »Ich …« er umarmte ihn, und jetzt flossen doch Tränen. »Es ist nichts, gar nichts. Mir war nur plötzlich so schwindelig. Es ist wohl deine Nähe, die mich um den Verstand bringt.«
Rastafan kniff die Augen misstrauisch zusammen. An das Kompliment glaubte er nicht so recht. »Hast du das öfters? Muss man ein Sonnenpriester sein, um das zu verstehen?«
»Ja«, log Jaryn, »manchmal nimmt Achay von mir Besitz, und mich überwältigt die Erscheinung des Gottes. Manche nennen es auch Anfälle.«
Rastafan verzog das Gesicht. »Hm, heilige Anfälle wahrscheinlich. Ist es jetzt vorüber?«
»Ja, ja. Das ist es. Sie treten sehr selten auf. Es war wohl der lange Marsch durch die Hitze.«
»Aber es ist schon herbstlich kühl. Jaryn! Hast du ein Problem? Geht dir die Sache mit deinem Auftrag nicht aus dem Kopf?«
»Das auch, ja. Ich bin ziemlich
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