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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Sterblichen, und doch – das wurde ihm jetzt schmerzlich bewusst – besaß er keinerlei Macht, die Verhältnisse in Caschu zu ändern. Wieder war da die Mauer, die ihn von den Menschen, die ihn von dem wirklichen Leben trennte. Er war nichts als eine bedeutungslose, in Goldstaub gewälzte Kreatur.
    Diese Erkenntnis war ihm am bittersten.

26
    Unberührt von dem Wüten Gaidarons saß Caelian in einem Nebenzimmer des Archivars und verschlang Pergament um Pergament, Buch um Buch. Eine Woche lang hatte er sich in die Geschichte des Landes vertieft, Textstellen miteinander verglichen und sich Notizen gemacht. Sie füllten mehrere Seiten. Dennoch war er dem geheimnisvollen Prinzen keinen Schritt näher gekommen. Freilich hatte er interessante Dinge erfahren über die verflossenen Könige, die alle aus der Fenraond-Dynastie stammten. Stets hatte es legitime Nachfolger gegeben. Gab es mehrere Prinzen, mussten sie ein grausames Ritual bestehen. Die Brüder mussten auf Leben und Tod miteinander kämpfen, bis einer übrig blieb. So wollte man Bruderkriege verhindern. Schrecklich , dachte Caelian, aber es hilft mir nicht weiter.
    Die frühen Könige hatten noch Kriege mit den Nachbarländern geführt, doch mit dem Entstehen der verbotenen Stadt Margan hatten diese aufgehört. Die Stadt war reicher geworden, unermesslich reich, das Land – darüber sagten die Chroniken wenig. Ein Kapitel beschäftigte sich mit der Gerichtsbarkeit. Caelian erfuhr, dass die Körperstrafen mit der Zeit immer grausamer geworden waren und bald für geringe Vergehen angewendet wurden. Insgesamt hatte er den Eindruck, dass Jawendor durch die Jahrhunderte hindurch einen schleichenden Niedergang durchgemacht hatte. Nicht, was den Handel und die Wirtschaft anging, es handelte sich vielmehr um eine Art geistigen Verfalls, ein Nachlassen der Menschlichkeit, das Verschwinden von Werten. An deren Stelle waren pompöse Aufzüge der Sonnenpriester getreten, ihre Stellung im Reich wurde hundertfach aufgewertet, während die der Mondpriester, die weiterhin mit ihren Gaben den Menschen Gutes taten, einen weniger bedeutenden Rang einnahmen.
    Was Caelian jedoch besonders auffiel, war, dass die alten Schriften alle so alt nicht waren. Die Ältesten von ihnen stammten aus einer Zeit vor sechshundert Jahren. Der erste König, den die Schriften auswiesen, war ein gewisser Phemortos. Unter seiner Herrschaft schienen sich größere Umwälzungen ereignet zu haben. Es gab Aufstände, Priestermorde, und im ganzen Land schien Gesetzlosigkeit zu herrschen. Gleichzeitig begann in Margan eine rege Bautätigkeit. Damals wurden der Sonnen- und Mondtempel errichtet und die Erdgöttin Alathaia gestürzt. Mit unbeschreiblicher Grausamkeit war Phemortos gegen das Chaos im Land vorgegangen. Als er starb, hatte er ein gefestigtes Reich hinterlassen.
    Außerdem schienen damals sämtliche Schriften, Dokumente und Unterlagen früherer Zeiten vernichtet worden zu sein. Kein Schriftstück kündete mehr von den Vorgängern des Phemortos. Es war, als sei dieser vor sechshundert Jahren einfach vom Himmel gestiegen. Er hatte sich Phemortos von Fenraond genannt, nicht einmal seine Eltern wurden irgendwo erwähnt. Und Caelian wurde mit Entsetzen klar: Jawendor besaß keine Vergangenheit. Jedenfalls nur eine Bruchstückhafte.
    Aber wer hatte die Dynastie Fenraond verflucht? Nach weiteren Stunden des Suchens war er darauf gestoßen, und als er es las, packte ihn das Entsetzen: Es war Lacunar von Achlad, der Phemortos und seine Nachkommen im Namen Razoreths verflucht hatte. Ein Urahn seines Vaters. Was war damals zwischen Jawendor und Achlad geschehen?
    Das konnte er jetzt nicht klären. Eins glaubte Caelian aber nun sicher zu wissen, und es sträubte sich ihm der Verstand, wenn er darüber nachdachte: Alle Prinzen seit König Phemortos hatte Razoreth in seinen Klauen gehabt, waren dem Bösen verfallen. Alle. Auch König Doron zählte zu ihnen. Jawendor war verflucht, weil Fenraond verflucht war, und nur durch die Errichtung einer verbotenen Stadt konnte der Fluch vom Königshaus abgewendet werden. Nur durch den Rückzug der Elite hinter diese Mauern war ein standesgemäßes und sicheres Leben möglich gewesen.
    Caelian war erschüttert. Wer wusste um diese Dinge? Auron? Suthranna? Die Sonnenpriester? Er konnte doch nicht allein bleiben mit diesem Wissen. Er vertraute sich Auron an. Der Alte wusste natürlich Bescheid. »Du hast alles gut begriffen, Caelian. Jawendor lebt seit sechshundert

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