Der Auftrag
Jahren unter einem Fluch. Die Bösen haben sich damit arrangiert, die Armen werden durch ihn geknechtet, und nur die Starken vermögen sich ihm zu widersetzen.«
»Wie widersetzt man sich ihm?«
»Indem man sich dem Bösen widersetzt. Der Fluch hat Razoreth die Herrschaft gegeben, aber nicht alle sind ihm verfallen. Wir im Mondtempel haben uns stets darum bemüht, durch gute Werke den Fluch zu lindern.«
»Und wenn der verschollene Sohn König Dorons gefunden wird«, fuhr Caelian eifrig fort, »und es gelingt, ihn auf die gute Seite zu ziehen, dann werden wir zum ersten Mal einen guten König bekommen, und der Fluch ist erloschen!«
Auron nickte. »So ist es. Aber wir wissen nicht, ob es diesen Sohn wirklich gibt. Gerüchte, unvollständige Überlieferungen und Aberglauben verdunkeln oft die Wahrheit. Tatsache ist, dass Gaidaron Dorons Nachfolger wird, und in ihm wird der Fluch lebendig bleiben.«
»Nun begreife ich erst, wie wichtig es ist, Jaryn zu helfen. Ich muss sofort zu ihm. Bitte Auron, zeige mir den verborgenen Hinterausgang. Ich werde in den Sonnentempel gehen.«
27
Jaryn traute seinen Ohren nicht, als Saric ihm meldete, ein Mondpriester wünsche ihn zu sprechen. Er war gerade mit der Abfassung eines neuen Sonnengesangs beschäftigt und reagierte unwirsch: »Ohne vorher um eine Audienz zu bitten?«
Saric legte seine Handflächen aneinander. »Es scheint jener junge Mann zu sein, mit dem Ihr in Carneth wart, Herr.«
Sofort leuchtete in Jaryns Augen die helle Freude auf. Saric war immer wieder überrascht über ihren magischen Glanz. Er hielt nicht viel von den anderen Sonnenpriestern, aber sein Herr war eine gesegnete Ausnahme.
»Caelian? Das ist etwas anderes. Rasch, herein mit ihm! Und sorge für eine ausgezeichnete Bewirtung.«
Caelian trat ein, und wurde herumgewirbelt von Jaryns stürmischer Begrüßung. Vom abgeklärten Sonnenpriester war nichts mehr zu spüren. »Du Caelian? Du kommst zu mir? In den Sonnentempel? Oh ich danke dir! Unendlich dankbar bin ich dir. Du hast mir so gefehlt.«
Caelian erwiderte die Umarmung herzlich. »Flunkerst du jetzt nicht ein wenig? Ist es nicht ein anderer, der dir gefehlt hat?«
»Ach Caelian!« Der Stoßseufzer kam so kläglich, dass Caelian ihn besorgt ansah.
»Geht es dir gut, Jaryn?«
»Ja Caelian, jetzt bist du ja da.«
»Und davor?«
»Es ist schwer, zwei Leben zu führen. Aber setz dich doch. Hat man dich im Tempel anständig behandelt? Oder hat es jemand gewagt …?«
»Nein, nein, ich habe gleich verlangt, Saric zu sprechen. Nun ja, der Torwächter war etwas mürrisch, aber …«
»Der Türsklave?«, fuhr Jaryn auf. »Was erfrecht sich diese Made …«
Caelian verschloss Jaryns Lippen mit seinen Fingern. »Aber, aber Jaryn. Schon wieder dünkelhaft?«
»Entschuldige Caelian, aber die Sklaven … reden wir nicht mehr davon. Erzähle! Was führt dich zu mir?«
»Vielleicht eine Spur zu dem Prinzen.«
Jaryn packte Caelian an den Armen. »Das hatte ich gehofft. Sag, was hast du in den Schriften gefunden?«
»In den Schriften – hm, eigentlich nichts, was ihn direkt betrifft. Aber Auron, unser Archivar, hat von einer Frau berichtet, die vor etwa zwanzig Jahren im Tempel Zuflucht gesucht hat. Sie war schwanger, und wir haben auch einen Namen: Sie nannte sich Nachtblume.«
»Oh.« Jaryn klang enttäuscht. »Den Namen Nachtblume kannte ich bereits. Aber ich konnte die Frau nicht finden. Niemand kannte eine Nachtblume.«
»In Carneth? Da hast du am falschen Ort gesucht. Weißt du, wer diese Nachtblume auf Geheiß unseres damaligen Oberpriesters in ihre Heimat bringen sollte? Niemand anderes als unser kleiner fetter Orchan.«
»Was?« Jaryn war begeistert. »Wenn wir das vor zwei Wochen schon gewusst hätten, manches wäre uns erspart geblieben. Er hat sie also in ihre Heimat gebracht? Wohin?«
»Sie stammte aus Achlad. Aber dort ist sie nie angekommen. In den Rabenhügeln soll Orchan von Räubern überfallen worden sein. Die schöne Nachtblume wurde von ihnen geraubt.«
Jaryn wurde bleich wie der Tod. »In den Rabenhügeln, sagst du? Aber da …« Er verstummte.
»Was ist in den Rabenhügeln? Was weißt du?«
»Rastafans Lager befindet sich irgendwo dort«, sagte er leise und starrte an Caelian vorbei, in seinen Augen einen glasigen Schimmer.
»Ha, du glaubst doch nicht, dass Rastafan …? Jaryn, die Sache ist über zwanzig Jahre her. Was sollte er damit zu tun haben? In den Hügeln hat es schon immer Räuber gegeben. Wer weiß,
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