Der Auftrag des Aeltesten
»Unsere Freundschaft kann doch nicht an meiner Unbedachtheit zerbrechen! An meinen Gefühlen für dich kann ich nun mal nichts ändern, aber ich würde mir lieber im Kampf gegen Durza eine weitere Verletzung holen, als zuzulassen, dass meine Dummheit die Vertrautheit kaputtmacht, die zwischen uns existiert hat. Mir liegt zu viel daran!«
vor sie antwortete: »Unsere Freundschaft bleibt bestehen, Eragon. Und was gemeinsame Unternehmungen betrifft...« Ihre Mundwinkel hoben sich zum Anflug eines Lächelns. »Vielleicht. Wir müssen allerdings abwarten, was die Zukunft bringt, denn ich bin sehr beschäftigt und kann dir nichts versprechen.«
Ihm war klar, dass ihre Worte einer Versöhnung gleichkamen. Mehr hatte er unter den gegebenen Umständen nicht erwarten können und er war dankbar dafür. »Natürlich, Arya Svitkona«, sagte er und neigte den Kopf.
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten lang, doch es war offenkundig, dass Arya an diesem Tag nicht willens war, weiter aus sich herauszugehen. Daher kehrte Eragon zu Saphira zurück, hoffnungsfroh, weil er das Gefühl hatte, etwas erreicht zu haben.
Jetzt muss das Schicksal entscheiden, wie es mit uns weitergeht,
dachte er, als er sich vor eine von Oromis’ Schriftrollen setzte.
Eragon griff in den Beutel an seinem Gürtel und zog ein Seifensteindöschen mit Nalgask hervor - geschmolzenes Bienenwachs mit Haselnussöl - und rieb sich damit die Lippen ein, um sie vor dem eisigen Wind zu schützen, der ihm ins Gesicht wehte. Er schloss den Beutel wieder, schlang die Arme um Saphiras Hals und vergrub das Gesicht in der Armbeuge, um nicht in die grell angestrahlten Wolken unter ihnen schauen zu müssen. Er hörte nur das unermüdliche Auf und Ab von Saphiras Flügeln, die viel schneller schlugen als die von Glaedr.
Schon seit Sonnenaufgang flogen sie in Richtung Südwesten und nahmen sich dabei aber immer wieder Zeit für halsbrecherische Übungskämpfe zwischen Saphira und Glaedr, bei denen Eragon die Arme festschnallen musste, um bei der Schwindel erregenden Luftakrobatik nicht hin und her geschleudert zu werden. Hinterher befreite er sich jedes Mal, indem er die Lederschlaufen mit den Zähnen löste.
Der Flug endete am frühen Nachmittag an einer Gruppe von vier Bergen, die den Wald weit überragten. Es waren die ersten Berge, die Eragon in Du Weldenvarden zu Gesicht bekam. Die schroffen, windumtosten Gipfel durchstießen die Wolkendecke und reckten ihre zerfurchten Flanken der Sonne entgegen, deren Strahlen in dieser Höhe jedoch keine wärmende Wirkung hatten.
Diese Berge sind winzig, verglichen mit dem Beor-Gebirge!,
sagte Saphira.
So wie er es sich in der Meditation angewöhnt hatte, schickte Eragon seinen Geist in alle Richtungen aus und suchte nach feindlich gesinnten Geschöpfen. Doch er entdeckte lediglich ein Murmeltier in seinem warmen Bau, Raben, Blauspechte und Falken, mehrere Eichhörnchen, die zwischen den Bäumen umherflitzten, und weiter unten am Berg Felsvipern, die sich auf der Suche nach Mäusen und Insekten durch die Büsche schlängelten.
Als Glaedr am ersten Berg auf einem flachen Felsvorsprung aufsetzte, musste Saphira warten, bis der alte Drache die mächtigen Schwingen angelegt hatte, bevor sie genug Platz zum Landen hatte. Der mit steinernem Geröll übersäte Boden, auf dem sie standen, schimmerte gelblich von den harten, spröden Flechten, die ihn bedeckten. Über ihnen ragte eine steile schwarze Felswand empor. Sie wirkte wie eine Schutzmauer oder ein Damm für das Gesims aus bläulichem Eis, aus dem im stürmischen Wind immer wieder riesige gezackte Brocken herausbrachen und weiter unten auf dem Granit zerschellten.
Dieser Gipfel heißt Fionula,
sagte Glaedr.
Und seine Brüder heißen Ethrundr, Merogoven und Griminsmal. Jeder hat seine eigene Geschichte, die ich euch später auf dem Rückflug erzähle. Aber erst einmal erkläre ich euch den Zweck dieser Reise, nämlich das Wesen der Bande zwischen Drachen und Elfen und später auch Menschen. Ihr wisst schon einiges darüber - und gegenüber Saphira habe ich bereits ein paar weiter reichende Andeutungen gemacht -, doch nun ist der Zeitpunkt gekommen, da ihr die wahre, heilige Bedeutung eurer Partnerschaft begreifen müsst, damit ihr die Tradition fortfürhen könnt, wenn Oromis und ich einmal nicht mehr sind.
Meister?
, fragte Eragon und zog den Umhang enger, um sich warmzuhalten.
Ja, Eragon?
Warum ist Oromis nicht mitgekommen?
Weil dies meine Aufgabe
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