Der Auftrag des Aeltesten
Schicksal könnte sich vielleicht zum Besseren wenden, wenn du endlich deine Zunge im Zaum halten und nicht herumfluchen würdest wie die Frau eines Fischhändlers!«
Ihre Antwort war kühl. »Ich warte im Esszimmer auf dich. Solltest du nicht zum Abendessen erscheinen und dich mir erklären, werde ich dieses unselige Haus verlassen und nicht mehr zurückkommen.« Ihre Schritte verklangen im Flur.
Als er sich sicher war, dass sie gegangen war, nahm Roran den Dolch von Jeods Kehle, gab Nolfavrell die Waffe zurück und setzte sich wieder auf den Sessel an der Tür.
Jeod rieb sich den Hals und sagte mit verdrossener Miene: »Falls wir nicht auf einen Nenner kommen, bringt ihr mich besser um, denn das ist mir lieber, als Helen erklären zu müssen, dass ich sie grundlos angebrüllt habe.«
»Du hast mein ganzes Mitgefühl, Langhachse«, sagte Loring.
»Es ist nicht ihre Schuld... nicht nur. Sie weiß einfach nicht, warum wir in letzter Zeit so viel Pech hatten.« Jeod seufzte. »Vielleicht ist es ja mein Fehler, weil ich mich nicht traue, es ihr zu sagen.«
»Ihr was zu sagen?«, meldete sich Nolfavrell zu Wort.
»Dass ich ein Agent der Varden bin.« Jeod hielt inne, als seine Besucher ihn perplex anstarrten. »Ich fange am besten ganz von vorne an. Roran, hast du in den letzten Monaten Gerüchte über einen neuen Drachenreiter gehört, der Galbatorix herausfordert?«
»Hier und da ein bisschen Gerede, ja, aber nichts, dem ich Glauben schenken würde.«
Jeod zögerte. »Ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll, Roran... aber es gibt in Alagaësia wirklich einen neuen Drachenreiter, und es ist dein Cousin Eragon. Der Stein, den er im Buckel gefunden hat, war in Wirklichkeit ein Drachenei, das die Varden mit meiner Hilfe vor vielen Jahren Galbatorix gestohlen haben. Der Drache ist bei Eragon geschlüpft und er hat ihn Saphira genannt. Deswegen kamen die Ra’zac das erste Mal ins Palancar-Tal. Zurückgekehrt sind sie, weil Eragon für das Imperium ein ernst zu nehmender Gegner geworden ist und Galbatorix sich von deiner Gefangennahme erhofft, an ihn heranzukommen.«
Roran warf den Kopf zurück und lachte schallend, bis ihm Tränen in die Augen stiegen und er vor lauter Gelächter Bauchweh bekam. Loring, Birgit und Nolfavrell schauten besorgt zu ihm herüber, doch Roran kümmerte nicht, was sie dachten. Er lachte, weil Jeods Behauptung so absurd war. Und wegen der erschreckenden Möglichkeit, dass der Händler die Wahrheit sagte.
Roran atmete einige Male tief durch und beruhigte sich allmählich wieder. Nur ein humorloses Kichern entrang sich noch ein paarmal seiner Kehle. Er wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und sah Jeod an, ein hartes Lächeln auf den Lippen. »Deine Geschichte passt zu den Fakten, so viel muss man dir lassen. Aber mir fallen auch ein halbes Dutzend andere Erklärungen ein.«
Birgit sagte: »Wenn Eragons Stein ein Drachenei war, woher ist es dann gekommen?«
»Tja«, entgegnete Jeod, »das ist auch so eine Geschichte...«
Bequem in seinen Sessel gelehnt, lauschte Roran ungläubig, als Jeod erzählte, dass Brom - der grantige, alte Brom! - einst ein Drachenreiter gewesen sei und angeblich bei der Gründung der Varden mitgewirkt habe, dass Jeod einen geheimen Eingang nach Urû’baen entdeckte habe, dass die Varden Galbatorix die letzten drei Dracheneier hätten stehlen wollen und wie sie letztlich nur ein Ei an sich gebracht hätten, nachdem Brom den abtrünnigen Drachenreiter Morzan getötet hatte. Und als ob das nicht schon lächerlich genug gewesen wäre, schilderte Jeod als Nächstes, wie die Varden, Zwerge und Elfen vereinbart hätten, das Ei zwischen Du Weldenvarden und dem Beor-Gebirge hin- und herzutransportieren, und wie bei einer dieser Reisen am Rande des riesigen Waldes ein Schatten die Kuriere überfallen habe, um ihnen das Ei abzunehmen.
Ein Schatten - ha!,
dachte Roran.
Trotz seiner Skepsis wuchs Rorans Interesse, als Jeod schilderte, wie Eragon das Ei fand und den Drachen, Saphira, im Wald hinter Garrows Hof aufzog. Roran war zu der Zeit sehr beschäftigt gewesen, weil er kurz darauf nach Therinsford gegangen war, um in Demptons Mühle zu arbeiten, doch er erinnerte sich, wie abwesend Eragon gewesen war und dass er jede freie Minute im Wald verbracht hatte …
Als Jeod schilderte, wie und warum Garrow gestorben war, stieg brennende Wut in Roran auf, weil Eragon es gewagt hatte, den Drachen heimlich zu behalten, und damit jeden in seiner Nähe in Gefahr
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