Der Auftrag des Aeltesten
Besanmast verdrehte, brach und mittschiffs ins aufgepeitschte Meer krachte. Roran packte eine Rettungsleine und hangelte sich daran zum Achterdeck, um gemeinsam mit Bonden die zahllosen Seile zu zerschneiden, die den Mast noch mit der
Drachenschwinge
verbanden und das Heck gefährlich tief ins Wasser hinabzogen.
Anschließend sank Roran auf die Decksplanken und hakte den Arm in der Takelage ein, als das Schiff fünf, zehn, zwanzig Meter zwischen den Wellen in die Tiefe stürzte. Eiskaltes Meerwasser spülte über ihn hinweg und saugte ihm die Wärme aus den Gliedern. Er zitterte am ganzen Leib.
Lass mich nicht hier sterben,
flehte er, ohne genau zu wissen, an wen er den Wunsch richten sollte.
Nicht hier in diesen entfesselten Elementen. Meine Aufgabe ist noch nicht vollbracht.
Während dieser langen, dunklen Sturmnacht klammerte er sich an seine Erinnerungen an Katrina und schöpfte daraus Trost, wenn ihn die Verzweiflung überwältigte und er die Hoffnung zu verlieren drohte.
Der Sturm dauerte zwei volle Tage und flaute mitten in der Nacht ab. Der folgende Morgen zeigte ihnen einen trüben, grünlichen Sonnenaufgang, einen klaren Himmel und drei schwarze Segel am Horizont. Im Südwesten verbargen sich die verschwommenen Umrisse von Beirland hinter einem dichten Wolkenschleier, der sich über dem zerklüfteten, die Insel überragenden Berg zusammenballte.
Weil sie die Kapitänskajüte den Kranken überlassen hatten, versammelten sich Roran, Jeod und Uthar in einer kleinen Kabine am Schiffsbug, wo Uthar auf dem Tisch eine Seekarte ausrollte und auf einen Punkt oberhalb von Beirland deutete. »Hier sind wir jetzt.« Er nahm eine größere Karte von Alagaësias Küste und tippte auf die Mündung des Jiet-Stroms. »Und das ist unser Ziel, denn unsere Verpflegung reicht nicht bis Reavstone. Wie wir es erreichen sollen, ist mir allerdings ein Rätsel. Ohne das Toppsegel am Besanmast haben diese verfluchten Schaluppen uns morgen Mittag eingeholt, spätestens am Abend, wenn wir gut vorankommen.«
»Können wir das abgebrochene Stück nicht ersetzen?«, fragte Jeod. »Normalerweise haben Schiffe dieser Größenordnung doch Ersatzteile für derartige Reparaturen an Bord.«
Uthar zuckte mit den Schultern. »Das wäre möglich, wenn wir einen richtigen Schiffszimmermann mit an Bord hätten. Wir haben aber keinen, und ich möchte nicht, dass unerfahrene Leute einen Ersatzmast anbringen, der gleich wieder umfällt und dabei vielleicht jemanden verletzt.«
Roran sagte: »Hätte die Gegenseite keinen Magier an Bord, würde ich sagen, wir sollten kämpfen, denn wir sind den Besatzungen der Schaluppen zahlenmäßig überlegen. So aber habe ich Bedenken. Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass wir gewinnen würden, wenn man bedenkt, wie viele Schiffe, die zu den Varden unterwegs waren, bereits verschwunden sind.«
Grunzend zog Uthar einen Kreis um ihre gegenwärtige Position. »So weit könnten wir bis morgen Abend kommen, vorausgesetzt, der Wind bleibt günstig. Wir könnten auf Beirland oder Nía an Land gehen, aber das hilft uns auch nicht weiter, denn dort säßen wir in der Falle und wären eine leichte Beute für die Soldaten auf den Schaluppen, die Ra’zac oder Galbatorix selbst.«
Roran schaute mürrisch drein, während er im Geiste ihre Möglichkeiten abwägte. Eine Seeschlacht mit den Schaluppen schien unausweichlich.
Einige Minuten lang hörte man in der Kabine nichts außer die an den Rumpf schlagenden Wellen. Dann zeigte Jeod auf einen Punkt zwischen Beirland und Nía, sah Uthar an und fragte: »Und was ist mit dem Bullenauge?«
Zu Rorans Erstaunen wurde der alte Seebär bei diesem Wort schreckensbleich. »Das würde ich nicht riskieren, Jeod, nie im Leben! Ich würde eher gegen die Schaluppen kämpfen und auf dem Meer sterben, als diesem unseligen Ort zu nah zu kommen. Dort sind schon mehr Schiffe gesunken, als Galbatorix in seiner ganzen Flotte hat.«
»Ich meine, gelesen zu haben«, sagte Jeod und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, »dass die Durchfahrt zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen Ebbe und Flut halbwegs sicher sei. Stimmt das?«
Mit großem Widerwillen gab Uthar zu: »Ja, aber das Auge ist so groß, dass man extrem genau steuern muss, damit es einen nicht erfasst. Schon ohne Verfolger hätten wir damit Schwierigkeiten.«
»Aber wenn wir es richtig abpassen«, beharrte Jeod, »würden die Schaluppen untergehen, oder sie müssten - falls sie es nicht wagen - Nía umfahren. Das
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