Der Auftrag des Aeltesten
verschlungenen Lianí-Rankenmuster verflochten waren. Auf Oromis’ Geheiß zog Eragon an einer der Fransen und seufzte überrascht auf, als in der Mitte des Gürtels ein Stück Stoff zur Seite glitt und darunter zwölf kirschgroße Diamanten zum Vorschein kamen. Vier der Edelsteine waren weiß, vier waren schwarz und die übrigen waren rot, blau, gelb und braun. Sie glitzerten kalt und hell wie Eis am frühen Morgen und warfen bunte Farbtupfer auf Eragons Hände.
»Meister...« Eragon schüttelte den Kopf. »Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr mir diese Steine geben wollt?«
»Gib gut darauf Acht, damit niemand in Versuchung gerät, sie dir zu stehlen. Dies ist der Gürtel von Beloth dem Weisen - du hast über ihn gelesen, als wir die Geschichte der dunklen Jahre durchgenommen haben. Er stellt einen der größten Schätze der Drachenreiter dar. Es sind die vollkommensten Edelsteine, derer sie jemals habhaft wurden. Einige haben wir im Tausch von den Zwergen bekommen, andere gewannen wir in der Schlacht oder haben sie selber im Erdboden gefunden. Die Steine selbst besitzen keine magischen Fähigkeiten, aber du kannst sie als Behältnis für deine Kräfte benutzen und, wenn nötig, von dieser Reserve zehren. Dies und der Rubin in Zar’rocs Knauf erlauben dir, einen Energievorrat anzulegen, damit dich deine Zauber in der Schlacht oder im Kampf gegen feindliche Magier nicht übermäßig erschöpfen.«
Als Letztes holte Oromis eine dünne Schriftrolle heraus, die zum Schutz in einer schlanken, mit einem Flachrelief des Menoa-Baums verzierten Holzröhre steckte. Eragon zog die Schriftrolle auseinander und erblickte das Gedicht, das er bei der Blutschwur-Feier vorgetragen hatte. Es war in Oromis’ schönster Kalligrafie niedergeschrieben und illustriert mit den detaillierten Tintenzeichnungen des Elfen. Pflanzen und Tiere umrankten das erste Wort jedes Vierzeilers, während an den Seitenrändern und über der Kopf- und Fußzeile kunstvoll verschlungene Muster aufgetragen waren.
»Ich dachte mir«, sagte Oromis, »du würdest dich über eine Abschrift deines Werkes freuen.«
Eragon stand mit den zwölf unbezahlbaren Diamanten in einer Hand und Oromis’ Schriftrolle in der anderen da und wusste, dass die Schriftrolle für ihn das kostbarere Geschenk war. Eragon verneigte sich tief berührt: »Vielen Dank, Meister.«
Dann überraschte Oromis Eragon, indem er den traditionellen Elfengruß initiierte und dadurch seinen Respekt für Eragon zum Ausdruck brachte: »Möge das Glück dir hold sein.«
»Mögen die Sterne über Euch wachen.«
»Mögest du Frieden im Herzen tragen«, sagte der silberhaarige Elf zuletzt. Er wiederholte den Wortwechsel mit Saphira. »Nun geht und fliegt so geschwind wie der Nordwind, in dem Wissen, Saphira Schimmerschuppe und Eragon Schattentöter, dass ihr den Segen von Oromis in euch tragt, dem trauernden Weisen und unversehrten Krüppel, dem letzten Nachkommen aus dem Hause Thrándurin.«
Und meinen Segen habt ihr auch,
fügte Glaedr an. Er reckte den Hals und stupste mit der Nasenspitze Saphiras Schnauze an.
Vergiss nicht, auf dein Herz Acht zu geben, Saphira.
Als Antwort stieß sie ein versonnenes Brummen aus.
Dann flogen sie los. Saphira stieg über dem Zauberwald in die Höhe und hinter ihnen schrumpften Oromis und Glaedr zu winzigen, einsamen Punkten auf dem Felsmassiv zusammen. Trotz der vielen schweren Momente während seines Aufenthalts in Ellesméra würde Eragon das Leben unter den Elfen vermissen, denn bei ihnen hatte er zum ersten Mal nach seiner Flucht aus dem Palancar-Tal so etwas wie eine Heimat gefunden.
Ich gehe als völlig veränderter Mensch von hier fort,
dachte er und klammerte sich mit geschlossenen Augen an Saphira.
Bevor sie sich mit Orik trafen, flogen sie noch einmal zur Tialdarí-Halle. Saphira landete in den angrenzenden Gärten und gab Acht, mit dem Schwanz und den Klauen keine der Pflanzen zu zerstören. Ohne zu warten, bis sie sich flach hingelegt hatte, sprang Eragon sofort herunter; vor seiner Verwandlung hätte dies einen Schmerzanfall ausgelöst.
Ein Elf kam ihm entgegen, führte zum Gruß die Finger an die Lippen und fragte, ob er ihm helfen könne. Als Eragon entgegnete, dass er eine Audienz bei Königin Islanzadi wünsche, sagte der Elf: »Bitte warte hier, Silberhand.«
Keine fünf Minuten später kam die Königin aus den waldigen Tiefen der Tialdarí-Halle herausgeschritten. Ihr scharlachrotes Gewand wirkte wie ein Blutstropfen zwischen den
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