Der Auftrag: Thriller (German Edition)
genau da, wo es ist.
Das Staatsbankett im Weißen Haus ging langsam zu Ende, und die ersten wohlgesättigten Promis verließen das »Peoples House«. Einer dieser Gäste war der britische Premierminister. Die Fahrzeugkolonne wartete bereits auf ihn und würde ihn das kurze Stück zum Blair House fahren, der Residenz für Würdenträger, die zu Besuch weilten. Sie befand sich auf der linken Seite des Parks. Es wäre nur ein kurzer Spaziergang gewesen, doch Stone vermutete, dass Regierungschefs nirgendwo mehr sicher zu Fuß gehen konnten. Auch für sie hatte die Welt sich schon lange verändert.
Stone drehte den Kopf und sah eine Frau, die auf einer Bank neben dem ovalen Brunnen auf der rechten Seite des Parks saß, auf halber Strecke zwischen Jackson und der Statue des polnischen Generals Tadeusz Kościuszko, der vor mehr als zweihundert Jahren den englischen Kolonien geholfen hatte, sich von der britischen Herrschaft zu befreien. Die Ironie, dass der Regierungschef ebendieser Monarchie nun in einem Gebäude weilte, von dem aus man das Monument sehen konnte, entging Stone keineswegs.
Die Frau trug eine schwarze Hose und einen dünnen weißen Mantel. Neben ihr stand eine große Tasche auf der Bank. Sie schien zu dösen.
Seltsam, dachte Stone. Niemand döste zu dieser Nachtzeit im Lafayette-Park vor sich hin.
Sie war nicht die einzige Person im Park. Als Stone zu den Bäumen am nordwestlichen Ende des Park schaute, erspähte er einen Mann in einem Anzug. Er trug eine Aktentasche und hatte Stone den Rücken zugewandt. Der Mann blieb stehen, um die Statue des deutschen Heeresoffiziers Friedrich Wilhelm von Steuben zu betrachten, der ebenfalls den Kolonisten geholfen hatte, den verrückten König George in das monarchische Hinterteil zu treten.
Und dann bemerkte Stone einen kleinen Mann mit einem gewaltigen Bauch, der den Park vom oberen Ende betrat, wo sich die St. John’s Church befand. Er trug Joggingkleidung, obwohl er aussah, als könne er nicht mal schnell gehen, ohne mit einem Herzkasper zusammenzubrechen. An einem Gürtel um seinen Wanst war etwas befestigt, das wie ein iPod aussah, und er trug Ohrstöpsel.
Und da war ein vierter Besucher im Park. Er sah aus wie das Mitglied einer Straßengang: tief hängende Jeans, dunkle Pudelmütze, Muscleshirt, Tarnanzugjacke, Springerstiefel. Der Bursche schlenderte gemächlich durch den Park, was ebenfalls seltsam war, da Gangmitglieder wegen der starken Polizeipräsenz fast nie in den Lafayette Park kamen. Und diese Präsenz war heute aus naheliegenden Gründen noch stärker und wachsamer als sonst. Staatsbankette machten alle nervös. Wenn ein Staatschef erschossen wurde, entging niemand seiner Verantwortung. Köpfe und Pensionen rollten.
Aber Stone war nicht hergekommen, um über solche Dinge nachzudenken. Er war hier, um ein letztes Mal den Lafayette Park zu besuchen. In zwei Tagen würde er zu seiner einmonatigen Trainingseinheit abreisen. Dann ging es nach Mexiko. Er hatte bereits einen Entschluss gefasst. Er würde seinen Freunden, den Mitgliedern des Camel Club, nichts davon erzählen. Wenn er es doch tat, würden sie vielleicht die Wahrheit spüren, und daraus konnte nichts Gutes erwachsen. Er hatte es verdient, geopfert zu werden, sie nicht.
Wieder atmete er tief ein und sah sich um. Er lächelte, als er den Gingkobaum in der Nähe der Jackson-Statue sah. Er stand gegenüber von dem Ahorn, der gerade gepflanzt worden war. Als Stone zum ersten Mal in diesen Park gekommen war, war Herbst gewesen, und die Gingkoblätter hatten in einem prachtvollen Hellgelb geleuchtet. Es war großartig gewesen. In der ganzen Stadt gab es Gingkobäume, aber der hier war der einzige im Park. Gingkos konnten über tausend Jahre alt werden. Stone fragte sich, wie dieser Ort in einem Jahrtausend aussehen würde. Würde der Gingko noch hier stehen? Und das große weiße Gebäude auf der anderen Straßenseite?
Er wollte diesen Ort gerade zum letzten Mal verlassen, als seine Aufmerksamkeit sich auf die Fahrzeugkolonne richtete.
KAPITEL 4
Es waren der Klang starker Motoren, blitzende Lichter und Sirenen, die Stone aufgeschreckt hatten. Er beobachtete, wie die Fahrzeugkolonne des Premierministers an der unteren Seite des Weißen Hauses losfuhr und Kurs auf das Blair House nahm. Das Gebäude, das eigentlich aus drei zusammengefügten Stadthäusern bestand, war trügerisch groß. Es hatte sogar mehr Grundfläche als das Weiße Haus und befand sich unmittelbar westlich vom Park, an
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