Der aufziehende Sturm
»Habt Ihr Angehörige der Schwarzen entdecken können?«, fragte Egwene. »Wer sind sie?«
»Ihr sollt schweigen, Kind«, sagte Yukiri und richtete die grünen Augen auf Egwene. »Noch ein Wort, und ich sorge dafür, dass Ihr Buße leistet, bis Euch die Tränen zum Weinen ausgehen.«
»Ich bezweifle, dass Ihr mehr für mich anordnen könnt, als ich bereits habe, Yukiri«, erwiderte Egwene ruhig. »Es sei denn, ich soll den ganzen Tag im Arbeitszimmer der Oberin der Novizinnen verbringen. Davon abgesehen, solltet Ihr mich zu ihr schicken, was soll ich ihr sagen? Dass Ihr mir persönlich eine Buße auferlegt habt? Sie weiß, dass man mich heute nicht angewiesen hat, Euch zu sehen. Man könnte anfangen, Fragen zu stellen.«
»Wir könnten Euch von Meidani befehlen lassen, Buße zu leisten«, sagte Seaine, die Weiße.
»Das wird sie aber nicht tun. Sie hat meine Autorität als Amyrlin akzeptiert.«
Die Schwestern sahen Meidani an. Egwene hielt den Atem an. Meidani schaffte es, ein Nicken zustande zu bringen, obwohl es sie zu entsetzen schien, den anderen nicht zu gehorchen. Egwene stieß die Luft wieder aus und dankte ihr im Stillen.
Saerin sah überrascht, aber neugierig aus. Yukiri, die noch immer dastand und die Arme verschränkt hatte, war nicht so leicht zu beeinflussen. »Das ist ohne Bedeutung. Wir befehlen ihr einfach, Euch zur Buße zu schicken.«
»Ach ja?«, sagte Egwene. »Hattet Ihr mir nicht gesagt, dass der vierte Eid dazu gedacht war, die Einheit wiederherzustellen, damit sie sich nicht mit Euren Geheimnissen sofort zu Elaida flüchtet? Jetzt wollt Ihr diesen Eid wie eine Keule benutzen, sie dazu zwingen, Euer Werkzeug zu werden?«
Das rief Stille hervor.
»Das ist der Grund, warum ein Gehorsamseid eine schreckliche Idee ist«, sagte Egwene. »Keine Frau sollte so viel Macht über eine andere haben. Was Ihr diesen anderen angetan habt, ist nur einen Schritt vom mit der Macht auferlegten Zwang entfernt. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob diese Abscheulichkeit auf irgendeine Weise gerechtfertigt ist; wie ihr Meidani und die anderen behandelt, wird diese Entscheidung sicherlich beeinflussen.«
»Muss ich mich wiederholen?«, fauchte Yukiri und wandte sich den anderen zu. »Warum verschwenden wir hier unsere Zeit und glucken wie freigelassene Hühner mit diesem Mädchen? Wir müssen eine Entscheidung treffen!«
»Wir müssen mit ihr sprechen, weil sie entschlossen scheint, sich zu einem Ärgernis zu machen«, sagte Saerin kurz angebunden und musterte Egwene. »Yukiri, setzt Euch. Ich werde mich um das Kind kümmern.«
Egwene erwiderte Saerins Blick mit klopfendem Herzen. Yukiri schnaubte, setzte sich dann aber, schien sich endlich daran zu erinnern, dass sie eine Aes Sedai war. Diese Gruppe stand unter großem Druck. Falls bekannt wurde, was sie da taten ...
Egwene hielt den Blick auf Saerin gerichtet. Sie hatte angenommen, dass Yukiri in der Gruppe das Sagen hatte - sie und Saerin verfügten ungefähr über die gleiche Macht, und viele Braune waren fügsam. Aber das war ein Fehler gewesen; man neigte dazu, jemanden viel zu schnell nur wegen seiner Ajah einzuschätzen.
Saerin beugte sich vor und sprach energisch. »Kind, Ihr müsst uns gehorchen. Wir können Euch nicht auf den Eidstab schwören lassen, und ich bezweifle sowieso, dass Ihr einen Gehorsamseid ablegen würdet. Aber Ihr könnt einfach nicht mit dieser Scharade weitermachen, die Amyrlin zu sein. Wir wissen alle, wie oft Ihr Buße tut, und wir wissen alle, wie wenig das ausrichtet. Also lasst mich etwas versuchen, das vermutlich noch keiner bei Euch versucht hat: Vernunft.«
»Sprecht ruhig aus, was Ihr denkt«, sagte Egwene.
Die Braune schnaubte zur Erwiderung. »Also gut. Zum einen könnt Ihr gar nicht die Amyrlin sein. Mit Spaltwurzel könnt Ihr kaum die Macht lenken.«
»Liegt die Autorität der Amyrlin also in ihrer Stärke in der Einen Macht begründet?«, fragte Egwene. »Ist sie nicht mehr als ein Raufbold, gehorcht man ihr, weil sie andere dazu zwingen kann, ihre Befehle zu befolgen?«
»Nun, nein«, sagte Saerin.
»Dann verstehe ich nicht, was die Verabreichung von Spaltwurzel mit meiner Autorität zu tun haben soll.«
»Ihr seid zur Novizin degradiert worden.«
»Nur Elaida ist dumm genug anzunehmen, dass man Aes Sedai degradieren kann. Man hätte nie zulassen dürfen, dass sie auf die Idee kommt, dazu überhaupt die Befugnis zu haben.«
»Wäre sie nicht auf diese Idee gekommen, dann wärt Ihr jetzt tot,
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