Der aufziehende Sturm
Mädchen.«
Egwene erwiderte Saerins Blick. »Manchmal habe ich das Gefühl, es wäre besser, tot zu sein, als mit ansehen zu müssen, was Elaida aus den Frauen dieser Burg gemacht hat.«
Das rief Schweigen hervor.
»Ich muss sagen, dass Eure Ansprüche völlig irrational sind«, sagte Seaine leise. »Elaida ist die Amyrlin, weil der Saal sie rechtmäßig erhoben hat. Also könnt Ihr gar nicht die Amyrlin sein.«
Egwene schüttelte den Kopf. »Sie wurde ›erhoben‹, nachdem man Siuan Sanche auf beschämende und unorthodoxe Weise von ihrem Stuhl entfernt hat. Wie könnt Ihr angesichts dessen Elaidas Position als ›rechtmäßig‹ bezeichnen?« Ihr kam ein Gedanke, ein Wagnis, aber es fühlte sich richtig an. »Verratet mir eines. Habt ihr eine der Frauen verhört, die zurzeit Sitzende sind? Habt Ihr Schwarze unter ihnen entdeckt?«
Saerins Blick verriet nichts, aber Seaine schaute besorgt zur Seite. Aha!, dachte Egwene.
»Das habt Ihr also«, fuhr sie fort. »Es macht Sinn. Wäre ich eine Angehörige der Schwarzen, würde ich mich sehr darum bemühen, eine andere Schattenfreundin zur Sitzenden ernennen zu lassen. Aus der Position können sie die Burg am besten manipulieren. Verratet es mir. Haben diese Schwarzen zu den Sitzenden gehört, die Elaida erhoben haben? Hat sich eine von ihnen dafür starkgemacht, Siuan zu stürzen?«
Keiner sprach ein Wort.
»Antwortet mir«, sagte Egwene.
»Unter den Sitzenden haben wir eine Schwarze gefunden«, sagte Doesine schließlich. »Und ... ja, sie gehörte zu jenen, die aufgestanden sind, um Siuan Sanche zu stürzen.« Ihre Stimme war düster. Sie hatte begriffen, worauf Egwene hinauswollte.
»Siuan wurde durch das absolute Minimum an erforderlichen Sitzenden gestürzt«, sagte Egwene. »Eine von ihnen war eine Schwarze, was ihre Stimme ungültig macht. Ihr habt Eure Amyrlin gedämpft und abgesetzt, habt ihren Behüter ermordet, und Ihr habt es nicht im Einklang mit dem Gesetz getan!«
»Beim Licht«, flüsterte Seaine. »Sie hat recht.«
»Das ist doch sinnlos«, sagte Yukiri und stand wieder auf. »Wenn wir anfangen, alles infrage zu stellen, wenn wir versuchen, herauszufinden, welche Amyrlin vielleicht von Angehörigen der Schwarzen erhoben wurde, dann müssen wir jede Amyrlin verdächtigen, die je den Sitz eingenommen hat!«
»Ach ja?«, fragte Egwene. »Und wie viele von ihnen wurden von einem Saal erhoben, der nur von dem exakten Minimum der über einen Sitz verfügenden Mitglieder gefüllt war? Als ich erhoben wurde, haben wir dafür gesorgt, dass jede Sitzende in der Stadt darüber informiert war, was dort geschah.«
»Falsche Sitzende«, wies Yukiri sie zurecht. »Die ihre Stellung auf gesetzwidrige Weise erhielten!«
Egwene wandte sich ihr zu, froh, dass sie nicht ihr nervös pochendes Herz hören konnten. Sie musste die Kontrolle behalten. Sie musste es. »Ihr nennt uns falsch, Yukiri? Welcher Amyrlin würdet Ihr lieber folgen? Einer, die aus Aes Sedai Novizinnen und Aufgenommene gemacht hat, die eine ganze Ajah verboten hat und in der Burg für eine Spaltung gesorgt hat, die gefährlicher ist als jedes Heer, das sie je belagerte? Eine Frau, die mithilfe der Schwarzen Ajah erhoben wurde? Oder würdet Ihr lieber der Amyrlin dienen, die versucht, das alles wieder ungeschehen zu machen?«
»Ihr wollt doch sicherlich nicht behaupten, dass Ihr der Ansicht seid, wir hätten den Schwarzen gedient, indem wir Elaida erheben«, sagte Doesine.
»Ich glaube, wir alle dienen den Interessen des Schatten«, erwiderte Egwene scharf, »solange wir zulassen, dass wir entzweit bleiben. Was glaubt ihr, wie die Schwarzen auf den beinahe geheimen Sturz einer Amyrlin reagiert haben, dem eine Spaltung der Aes Sedai folgte? Es würde mich nicht überraschen, wenn nach einigen Erkundigungen herauskäme, dass diese namenlose Schwarze Schwester, die Ihr entdeckt habt, nicht die einzige Schattenfreundin in der Gruppe war, die darauf hingearbeitet hat, die rechtmäßige Amyrlin zu stürzen.«
Erneut senkte sich Schweigen über den Raum.
Saerin seufzte. »Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. So erhellend Eure Argumente auch sind, Egwene al'Vere, letztlich sind sie fruchtlos.«
»Ich stimme zu, dass wir nicht ändern können, was passiert ist«, sagte Egwene und nickte ihr zu. »Aber wir können nach vorn sehen. So bewundernswert ich Eure Bemühungen, die Schwarzen Ajah zu entlarven, auch finde, macht mir Eure Bereitschaft, für dieses Ziel
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