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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Auf der gegenüberliegenden Seite führte eine Reihe grauer Torbögen auf einen kleinen Hof und zu einem Himmel brennender roter Wolken. Die Wolken schwollen an wie Blasen in kochendem Wasser. Es waren die Wolken eines bevorstehenden Sturms, so unnatürlich sie auch waren.
    Er schaute genauer hin und sah, dass jede neue Wolke den Umriss eines vor Pein verzerrten Gesichts bildete, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Die Wolke schwoll an und wurde immer größer, das Gesicht verzerrte sich, der Kiefer mahlte, die Augen quollen hervor. Dann zerplatzte es, und andere Gesichter schälten sich brüllend und klagend aus der Oberfläche. Es war zugleich fesselnd und schrecklich.
    Hinter dem Hof gab es keinen Boden. Nur diesen schrecklichen Himmel.
    Rand wollte nicht zur linken Seite des Raumes blicken. Dort stand der Kamin. Die Steine, die Boden, Feuerstelle und Säulen bildeten, waren verzogen, wie von großer Hitze geschmolzen. Am Rand seines Blickfelds schienen sie sich zu verändern. Winkel und Proportionen des Raumes waren falsch. Genau wie bei seinem letzten Besuch vor langer Zeit.
    Aber etwas war dieses Mal anders. Etwas mit den Farben. Viele der Steine waren schwarz, als wären sie verbrannt. Sprünge durchzogen sie. In ihrem Inneren glühte es rot, als bestünde ihr Kern aus geschmolzener Lava. Hatte hier nicht einst ein Tisch gestanden? Poliert und aus feinem Holz, dessen ganz gewöhnliche Formen einen beunruhigenden Kontrast zu den verzerrten Winkeln der Steine bildeten?
    Der Tisch war verschwunden, aber genau vor dem Kamin standen zwei Stühle, deren hohe Lehnen verbargen, wer möglicherweise dort saß. Rand zwang sich dazu, sich wieder in Bewegung zu setzen, seine Stiefel traten auf brennende Steine. Er fühlte keine Hitze, weder von ihnen noch vom Kaminfeuer. Ihm stockte der Atem, und sein Herz pochte wild, als er sich den Stühlen näherte. Er fürchtete sich vor dem, was er finden würde.
    Er umrundete sie. Auf dem linken Stuhl saß ein Mann. Hochgewachsen und jugendlich, mit ebenmäßigem Gesicht und uralten blauen Augen, in denen sich das Kaminfeuer widerspiegelte und seine Iris beinahe purpurfarbenen erscheinen ließ. Der andere Stuhl war leer. Rand setzte sich, beruhigte seinen Herzschlag und sah den prasselnden Flammen zu. Diesen Mann hatte er schon zuvor in Visionen gesehen, die denen ähnelten, die erschienen, wenn er an Mat oder Perrin dachte.
    Bei dem Gedanken an seine Freunde kamen dieses Mal keine Farben. Das war seltsam, aber irgendwie nicht unerwartet. Die Visionen, die er von dem Mann auf dem anderen Stuhl gehabt hatte, unterschieden sich von denen mit Mat und Perrin. Irgendwie waren sie instinktiver, realer. Manchmal hatte er während dieser Visionen das Gefühl, zugreifen und diesen Mann berühren zu können. Er hatte Angst gehabt, was geschehen würde, falls er es versuchte.
    Er war diesem Mann nur einmal begegnet. In Shadar Logoth. Der Fremde hatte ihm das Leben gerettet, und er hatte sich oft gefragt, wer er gewesen war. Jetzt, an diesem Ort, wusste er es endlich.
    »Du bist tot«, flüsterte er. »Ich habe dich getötet.«
    Der Mann wandte den Blick nicht vom Feuer ab, als er lachte. Ein raues, tiefkehliges Lachen, das nur wenig Humor enthielt. Einst hatte Rand diesen Mann nur als Ba'alzamon gekannt - ein Name für den Dunklen König - und wie ein Narr geglaubt, dass er, indem er ihn tötete, den Schatten für alle Zeiten besiegte.
    »Ich habe zugesehen, wie du stirbst«, sagte er. »Mit Callandor habe ich deine Brust durchbohrt. Isham ...«
    »Das ist nicht mein Name«, unterbrach ihn der Mann und starrte weiter in die Flammen. »Man kennt mich jetzt als Moridin.«
    »Der Name ist irrelevant«, sagte Rand wütend. »Du bist tot, und das ist bloß ein Traum.«
    »Nur ein Traum«, sagte Moridin kichernd. »Ja.« Der Mann trug Schwarz, Mantel und Hosen; die düstere Kleidung wurde nur von roten Stickereien auf den Ärmelaufschlägen aufgehellt.
    Moridin sah Rand endlich an. Flammen des Feuers warfen hellrote und orangefarbene Lichter auf sein ebenmäßiges Gesicht und die reglosen Augen. »Warum musst du immer auf die gleiche Weise jammern? Nur ein Traum! Ist dir nicht klar, dass viele Träume wahrhaftiger als die wachende Welt sind?«
    »Du bist tot«, wiederholte Rand stur.
    »Du auch. Ich habe dich sterben sehen, weißt du? Hast wie ein Wilder um dich geschlagen, einen ganzen Berg als Grabhügel erschaffen. Welche Arroganz.«
    Nach der Erkenntnis, jeden geliebten Menschen getötet

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