Der aufziehende Sturm
nach einer Handvoll Nüsse.
Egwene warf ihr einen scharfen Blick zu. »Niemand bezwingt die Aiel. Rand hat sich ihren Respekt erworben. Ich war dabei.«
Miyasi erstarrte, die Hand auf dem halben Weg zur Nussschüssel. Sie schüttelte sich, brach den Blickkontakt, schnappte sich die Schüssel und setzte sich wieder. Eine kühle Brise blies über den Balkon und ließ die Pflanzen rascheln, die diesen Frühling nicht so ergrünten, wie sie sollten, worüber sich Ferane bitter beschwert hatte. Egwene fuhr darin fort, Nüsse zu knacken.
»Es hat den Anschein«, sagte Ferane, »als würdet Ihr ihn einfach Chaos verbreiten lassen, wie er gerade Lust hat.«
»Rand al'Thor ist wie ein Fluss«, erwiderte Egwene. »Ruhig und friedlich, wenn er ungestört ist, aber ein tödlicher, reißender Strom, wenn man ihn in ein zu enges Bett zwängt. Was Elaida mit ihm gemacht hat, entspricht ungefähr dem Versuch, den Manetherendrelle durch eine zwei Fuß breite Schlucht zu zwingen. Das Temperament eines Mannes in aller Ruhe zu ergründen ist nicht dumm, und es ist auch kein Zeichen von Schwäche. Ohne Informationen zu handeln ist Wahnsinn, und die Weiße Burg verdient den Sturm, den sie geweckt hat.«
»Vielleicht«, meinte Ferane. »Aber Ihr habt mir immer noch nicht verraten, wie Ihr mit der Situation umgehen würdet, sobald Ihr Eure Informationen gesammelt habt und die Zeit des Wartens vorbei ist.« Ferane war für ihr Temperament bekannt, aber im Augenblick zeigte ihre Stimme die Kälte, für die die Weißen berüchtigt waren. Es war die Kälte von jemandem, der ohne jedes Gefühl sprach, der an die Logik dachte, ohne äußere Einflüsse zu tolerieren.
Es war nicht die beste Methode, um Probleme zu lösen. Menschen waren viel komplizierter als jedes Regelwerk oder Zahlen. Es gab Zeiten, in denen Logik angebracht war, das stimmte, aber es gab auch Zeiten, in denen Gefühle im Vordergrund standen.
Rand stellte ein Problem dar, über das Egwene sich verboten hatte nachzudenken - sie musste ein Problem nach dem anderen lösen. Aber es sprach auch viel dafür, weit vorauszuplanen. Wenn sie sich keine Gedanken darüber machte, wie sie mit dem Wiedergeborenen Drachen verfahren sollte, würde sie sich schließlich in einer genauso aussichtslosen Situation wie Elaida wiederfinden.
Er war nicht mehr der Mann, den sie kannte. Aber die Wurzeln seiner Persönlichkeit mussten noch dieselben wie früher sein. Während der Monate, die sie zusammen durch die Aiel-Wüste gereist waren, hatte sie oft seinen Zorn erleben können. Während seiner Kindheit war er nicht oft zum Vorschein gekommen, aber jetzt begriff sie, dass er immer unter der Oberfläche gelauert haben musste. Er hatte nicht plötzlich Temperament entwickelt; in den Zwei Flüssen hatte ihn nur nie etwas in Erregung versetzt.
Während der monatelangen Reise schien er mit jedem Schritt härter zu werden. Er stand unter außergewöhnlichem Druck. Wie ging man mit so einem Mann um? Ehrlich gesagt fiel ihr dazu nichts ein.
Aber diese Unterhaltung drehte sich gar nicht darum, wie man mit Rand zu verfahren hatte. Es ging darum, dass Ferane ergründen wollte, welche Art Frau sie war.
»Rand al'Thor sieht sich als Herrscher«, sagte Egwene. »Und ich schätze, das ist er mittlerweile auch. Sollte er den Eindruck haben, dass man ihn in eine bestimmte Richtung drängen will, wird er ungehalten reagieren. Müsste ich mich mit ihm auseinandersetzen, würde ich eine Delegation schicken, die ihn ehrt.«
»Eine aufwendige Prozession?«, fragte Ferane.
»Nein. Aber auch keine dürftige. Eine Gruppe aus drei Aes Sedai, angeführt von einer Grauen, die von einer Grünen und einer Blauen begleitet wird. Dank früherer Bekanntschaften schätzt er die Blauen, und Grüne werden oft als das Gegenteil der Roten betrachtet, ein subtiler Hinweis, dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind und ihn nicht dämpfen wollen. Eine Graue, weil man das erwartet, aber auch, weil es bedeutet, dass es um Verhandlungen geht und keine Heere folgen.«
»Eine gute Logik«, sagte Tesan und nickte.
Ferane war nicht so leicht zu überzeugen. »Solche Delegationen sind in der Vergangenheit gescheitert. Ich glaube, dass auch Elaidas Delegation von einer Grauen angeführt wurde.«
»Ja, aber Elaidas Delegation wies einen fundamentalen Fehler auf«, sagte Egwene.
»Und welcher wäre das gewesen?«
»Nun, sie wurde von einer Roten gesandt.« Egwene knackte eine Nuss. »Es fällt mir schwer, in der Erhebung einer Roten zur
Weitere Kostenlose Bücher