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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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nicht mehr so, wie er gedacht hatte.«
    »Hat er sich wieder scheiden lassen?«
    »Nein, nein.« Sie lachte fast schadenfroh. »Er ist mit dieser Französin immer noch verheiratet, und sie ist ihm immer noch untreu. Soweit ich weiß. Er schluckt seine eigene Arznei.«
    »Und das freut dich.«
    »Vielleicht nicht unbedingt, aber es befriedigt mich. Das ist falsch, ich weiß, aber so geht’s mir nun mal.«
    »Wieso? Ich verurteile dich nicht. Rachegefühle zu hegen und sie zu befriedigen spart womöglich eine Menge Pillen und jede Menge Flaschen«, sagte ich.
    »Yes«, sagte sie mit triumphierendem Lächeln, aber ihren inneren Schmerz konnte sie nicht ganz verbergen. Ob es der Schmerz über Niederlage oder Verlust oder verlorene Hoffnungen war oder über die Tatsache, verschmäht worden zu sein, weiß ich nicht, aber sie war über die Geschichte nicht so gut hinweggekommen, wie ihr Bericht vorgab.
     
    Ich zahlte, und ein Taxi fuhr uns zu ihrer Wohnung. Ich bezahlte den Fahrer und begleitete sie zu ihrer Tür. Sie schien einen kurzen Moment zu überlegen, ob sie mich hinaufbitten sollte, aber vielleicht fühlte sie, daß ich das im Grunde nicht wollte – oder nicht wagte.
    Statt dessen sagte Clara in geschäftsmäßigem Ton:
    »Unterschreibst du übermorgen? Dann sollst du auch deine Bilder zurückkriegen.«
    »Wenn du mittags mit mir essen gehst.«
    »Ich gehöre zur arbeitenden Bevölkerung.«
    »Nenn es Treffen mit einem Agenten.«
    »Abgemacht, Peter Lime. Aber dann bezahl ich«, sagte sie und küßte mich auf den Mund, leicht und flüchtig und doch erotisch mit ihrer Zungenspitze, und als ich ins Hotel zurückging, war mir so leicht zumute wie lange nicht mehr.
    Meine Laune hielt sich die nächsten Tage, denn die Unterschrift wurde verschoben, und wenn ich anrief, plauderten wir, aber sie hatte wegen ihrer Arbeit keine Zeit, mich zu sehen.
    So wie sie es sagte, glaubte ich ihr, meine Laune wurde dadurch jedenfalls nicht verdorben.
    Ich spielte Tourist, machte eine Kanalrundfahrt und aß mittags im Tivoli, wo ich einen alten Kollegen traf und wir uns beinahe wie in alten Tagen miteinander unterhielten. Ich will meinen Zustand nicht als ausgeglichen bezeichnen, aber ich hatte eine Art Ruhe wiedergefunden. Ich wußte nicht, was ich von Clara wollte, und ich wußte nicht, was sie von mir wollte. Vom Schnaps ließ ich soweit wie möglich die Finger, so weit, daß ich mich immerhin an meine Träume erinnerte, und zum ersten Mal seit langem hatte ich wieder erotische Träume. Aber sie waren erregend auf unheimliche Weise. Ich war mit vielen verschiedenen Frauen im Bett, aber keine hatte ein Gesicht, und manchmal träumte ich, daß Amelia zuschaute, wenn ich mit einer nackten Frau in einem sterilen Raum lag, der an ein Krankenhauszimmer erinnerte. Dann erwachte ich mit einem klammen Gefühl und einer starken Erektion.
    Ein paar Tage später unterschrieb ich meine Aussage im Hauptquartier des Nachrichtendienstes in der Borups-Allee und bekam meine Fotos zurück. Anwesend war Clara mit zwei anderen Mitarbeitern. Sie waren höflich und freundlich, dankten mir für meine entgegenkommende Mithilfe und gingen mit meiner Unterschrift schnell aus dem Zimmer. Die schriftliche Fassung stimmte mit meiner mündlichen Aussage überein, so daß ich keine Probleme hatte zu unterzeichnen. Clara blieb noch und überreichte mir ein Schreiben an die Gauck-Behörde in Berlin. Diese Frage lag plötzlich ein wenig fern. Aus meinem Aufenthalt im sommerlichen Dänemark war nämlich unversehens eine Art Urlaub geworden. Sie hatte den Brief aufgesetzt, aber meine Adresse in Madrid fehlte. Ich schrieb mit der Hand die Firmenadresse darauf. Sie ging mit dem Entwurf hinaus und kam mit dem fertigen Schreiben wieder. Ich mußte nur noch unterschreiben. Clara wollte eine Empfehlung des PND auf schnelle Bearbeitung beilegen und das Schreiben auf den, wie sie sagte, üblichen Weg schicken, und dann trennten wir uns mit einem Händedruck.
    Drei Tage später lud mich Clara in ein Restaurant mit Namen KGB ein, das in derselben Straße lag, in der bis zum Fall der Mauer und der Auflösung der Sowjetunion Dänemarks Kommunistische Partei residiert hatte. Damals, als die Partei noch das nötige Kleingeld besaß, um die Miete zu zahlen. Es war ein kaltes Lokal mit weißen Wänden, die lediglich mit einer viereckigen Uhr geschmückt waren. Es paßte zum mittlerweile kühlen dänischen Sommerwetter, das aber recht angenehm war, wenn man noch immer die Madrider

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