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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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sie.
    »Das war alles geplant hier, was?« sagte ich.
    »Nein, kein Plan. Aber eine Hoffnung«, sagte sie. »Ich wäre auf jeden Fall hier raufgefahren, auch wenn du nicht mitgekommen wärst. Ich hab dir ja gesagt, es ist der letzte Sommertag. Den muß man genießen. In einem Land mit unserem Klima ist das ein Geschenk. Komm!«
    Gehorsam folgte ich ihr durch das Heidekraut. Sie legte ein strammes Tempo vor mit den Jeans und ihren nackten Füßen in leichten Schuhen, die fast wie Ballettschuhe aussahen. Große weiße Sommerhäuser lagen zurückgezogen im Kieferndickicht, aber am Strand war keine Menschenseele zu sehen. In einer Sandmulde im Gras breitete sie hinter einem großen Hagebuttenstrauch die Decke aus. Vor uns lag still und blau die Bucht. Der Tag hatte recht kühl angefangen, aber mittlerweile war es wieder wärmer geworden. Es war ein unvorhersehbares Klima. Sie drehte mir den Rücken zu, legte die Bluse ab, löste ihren BH und zog ein Bikinioberteil an, bevor sie Jeans und Slip auszog und in ihr Bikinihöschen schlüpfte. Sie war am ganzen Körper braun, soviel ich sah, und ihr Körper war zwar schlank, aber mit den weichen Kurven der erwachsenen Frau. Wir gehörten einer Generation an, die Nacktheit natürlich fand, und doch schaute ich weg, und sie drehte sich um und lächelte mich ironisch an und wies auf ein Paar Badeshorts.
    »Nun komm schon«, sagte sie fast wie eine Turnlehrerin, und ich mußte lachen.
    »Ja, Fräulein.«
    Sie ging zum Ufer und balancierte auf den ersten paar Metern vorsichtig über die Steine, bis ihr das Wasser zu den Schenkeln reichte, dann warf sie sich vornüber und schwamm mit langen, ausdauernden Zügen hinaus. Es war ein schöner Anblick, der hellbraune Körper, der den Wasserspiegel durchbrach, so daß die Tropfen von ihr abperlten. Ich drehte dem Wasser den Rücken zu, zog mir die Shorts an und ging zum Ufer. Sie schwamm immer noch hinaus und hatte schon die erste Sandbank hinter sich gelassen, die sich nicht weit vom Strand erhob, und strampelte jetzt mit den Beinen im Wasser, wobei sie kindlich prustete wie ein Delphin. Ich trat auf die Steine. Es roch angenehm nach Tang und Salz. Das Wasser glitzerte in der Sonne, als wäre die Oberfläche von zarten Sternchen übersät.
    Die Steine fühlten sich glatt an, und im ersten Moment war das Wasser kalt, aber dann war es nur noch angenehm kühl. Es war wie das Meer bei San Sebastian, salzig und frisch, und es prickelte wunderbar am ganzen Körper, als ich mich nach vorn warf und zu Clara hinauskraulte. Das Wasser schmeckte sauber, und beim Tauchen erkannte ich feinen Sandboden und dann wogendes grünes Seegras. Ich war seit langem nicht mehr im Wasser gewesen, das Wohlbehagen war unbeschreiblich, beinahe als wäre man wieder ein Kind, für das ein Tag am Strand unmerklich in den nächsten übergeht und die Nächte ohne Alpträume sind.
    »Es gibt nichts Besseres als blauzumachen, wenn alle anderen arbeiten«, sagte Clara, als ich sie erreicht hatte. Ich strampelte mit den Beinen, und sie legte sich faul auf den Rücken und glitt etwas weiter hinaus und richtete sich auf einer Sandbank auf, wo ihr das Wasser gerade über den Nabel reichte. Ihre Brustwarzen zeichneten sich unter dem dünnen Stoff des Bikinis ab, und ihr Körper glänzte trotz der Gänsehaut. Ich schwamm zu ihr und richtete mich ebenfalls auf, und wie ein albernes Mädchen fing sie an, mich mit Wasser zu bespritzen, und ich spritzte zurück, und wir spielten wie die Kinder miteinander. Wir blieben zwanzig Minuten im Wasser und machten alles, worüber Erwachsene normalerweile längst hinaus sind: Wir tauchten einer zwischen den gespreizten Beinen des anderen hindurch, ich nahm ihre Füße in meine Hände und schleuderte sie rücklings ins Wasser, wir tauchten nach Muscheln und schwammen träge nebeneinander am Strand entlang. Die Sonne spielte auf ihrer braunen Haut und ließ Millionen kleiner regenbogenfarbener Tröpfchen entstehen. Ich berührte ihre Haut, sie war glatt und zart, und ich fühlte mich beinahe glücklich. Schließlich wurde es zu kalt, und wir schwammen an die menschenleere Küste zurück.
    Sie wandte mir den Rücken zu und trocknete sich ab. Ich betrachtete ihre glänzende Haut. An ihrem linken Schulterblatt war ein Muttermal, das man gut sah, wenn sie sich vorbeugte und das kurzgeschnittene Haar schüttelte. Sie hatte sich gut gehalten und war nicht so kränklich dünn und eckig wie die jungen Mädchen heutzutage, die eher wie

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