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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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diesem Land, wir haben die eigentümlichen Russen, die nach wie vor die Botschaft bevölkern, wir haben die Kurden der PKK, wir haben Anschläge gegen die Sicherheit des Staates.«
    Sie lächelte bei ihren letzten Worten, als klängen sie beim Anblick unserer Idylle doch etwas seltsam.
    »Ich wollte dich nicht über deine Arbeit aushorchen. Ich interessiere mich nicht so ausnehmend für Bärte und dunkle Brillen.«
     
    »Ist auch nicht immer gleich einfach, sich dafür zu interessieren.«
    »Wie bist du beim PND gelandet?«
    Sie brach ein Stückchen Brot ab, steckte es in den Mund und kaute, ehe sie antwortete: »Nach der Polizeischule machte ich meinen Dienst in Esbjerg, hatte aber das Glück, eine Stelle bei der Kopenhagener Polizei zu bekommen. Wir waren damals nicht so viele Frauen in der Polizei. Vielleicht half das ein wenig. Und dann gab es die Möglichkeit einer Beförderung bei der Reichspolizei, und die nahm ich wahr. Der Job war interessant, und ich lernte Russisch ganz gratis.«
    »Du hast gerade noch den Kalten Krieg erreicht, die Glanzperiode der Spione«, neckte ich sie.
    »Gerade die letzten Atemzüge. Der KGB war bis zuletzt aktiv.
    Ich glaube, die haben als letzte entdeckt, was da eigentlich vor sich ging, und als sie es kapierten und versucht haben, Gorbatschow zu stürzen, war es zu spät.«
    »Gott sei’s gejubelt und gepfiffen.«
    »Du sagst es«, sagte sie, aber ohne große Überzeugung.
    Eine neuerliche Gesprächspause wurde durch die Vorspeise gerettet, und wir sprachen von fremden Ländern und Reisen, während wir aßen und eine Flasche Wein tranken und eine zweite bestellten, obwohl alle meine Alarmglocken schrillten.
    Durch ihren Job konnte sie nicht in den Osten reisen, aber sie war viel in den USA und in Neuseeland gewesen, das sie sehr liebte. Es war eines der wenigen Länder, in denen ich nicht gewesen war. Sie fragte mich über meinen Job aus. Sie sagte es nicht direkt, aber sie fand es ein bißchen abgeschmackt, so nach Prominenten auf der Lauer zu liegen.
    »Ich erfülle ein Bedürfnis«, sagte ich.
    »Das tun Prostituierte auch«, sagte sie.
    Ich mußte lachen.
     
    »Ja, ja. Dann ist die Presse der Lude, denn ohne die und die Leute, die die Zeitungen kaufen, wäre ich arbeitslos.«
    »Du hast einfach das Gefühl, einen Job zu machen?«
    »Weiß ich nicht. Wie so vieles im Leben ist es komplizierter, als man denkt. Die Jagd habe ich immer genossen. Die Vorbereitungen, die Erkundung, die Planung bis ins Detail. Das war eigentlich wichtiger als das Bild selber.«
    »Davon kann ich mich auch nicht ganz freisprechen«, sagte sie.
    »Nein. Das Jagen geht ins Blut. Außerdem haben wir eine Art unausgesprochenen Pakt mit den Menschen, die wir jagen. Es gibt Momente, in denen sie uns brauchen. Bei einer Scheidung, einem Streit um Geld. Um Aufmerksamkeit zu bekommen.
    Besonders wenn sie fürchten, vergessen zu werden. Und dann gibt es andere Momente, in denen sie am liebsten ihren Frieden hätten. Aber sie wollen gern selber entscheiden, welche das sind.«
    »Nur wird ihnen das nicht gestattet.«
    »Nein.«
    »Ich will dich auch nicht verurteilen.«
    »Das macht nichts«, sagte ich. »Ich habe selbst schon oft darüber nachgedacht. In letzter Zeit, meine ich. Wir sind nur ein Teil des globalen Dorfes. Wir liefern den Klatsch für den Dorfbrunnen. Millionen kaufen unsere Bilder. Und bezahlen uns fürstlich dafür. Es ist mehr die ganze Heuchelei, die mich ärgert.«
    Sie lachte wieder. Das Lachen fiel ihr leicht, ein leises trockenes Lachen. Und sie sagte: »Als Diana starb, hatte ein dänischer Wochenblattredakteur geschworen, nie wieder – wie nennt man das – Paparazzifotos zu bringen. Da hatten wir ein ganz neues Wort gelernt. Es war der reinste Gang nach Canossa.
    Als ob er persönlich schuldig gewesen wäre.«
     
    »Das hat er bestimmt nicht gehalten.«
    »Natürlich nicht.«
    »Da siehst du’s. Die Welt ist voll von Heuchlern«, sagte ich.
    »Da steckt zuviel Geld drin.«
    »Der Gott der neunziger Jahre.«
    »Geld ist wohl immer ein Gott gewesen«, sagte ich.
    »Ich lese solche Blätter nur beim Friseur«, sagte sie mit gespielter Entrüstung.
    »Tun wir das nicht alle?« sagte ich, hob mein Glas, und wir stießen an.
    Ich fragte sie noch einmal nach Neuseeland, und als sie von dem kleinen Haus an der Küste erzählte, das sie gemietet hatte, sagte sie plötzlich »wir« und »unser« und wurde sich dessen bewußt, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
    »Es gibt kein ›wir‹

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