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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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hatte schon drei Kinder, die irgendwo auf der Plaza spielten. Die meisten jungen Spanier begnügen sich heutzutage mit einem oder höchstens zwei Kindern. Maria stammte aus Andalusien und hatte sich das verschluckte, schnelle Spanisch ihrer Heimat bewahrt, in der alle S zu weichen Z-Lauten wurden.
    Ich blickte zu Maria Luisa hinüber. Sie war jetzt wieder sehr ernsthaft beim Seilspringen.
    »Sie hat dich diesmal sehr vermißt«, sagte Amelia.
    Meine Tochter hatte mich entdeckt und hörte mitten in einem Sprung auf. Sie spurtete auf mich zu.
    »Papa, Papa!« rief sie und warf sich mir in die Arme.
    »Papa, da bist du ja wieder!« Ich drückte sie an mich. Sie legte mir die Arme um den Hals und zupfte an meinem kleinen Zopf, den ich mir ein Jahr zuvor zugelegt hatte, als mein Haar langsam dünner wurde. Sicher ein Zeichen, daß ich nicht älter werden wollte, aber diese kleine Eitelkeit gönnte ich mir. Meine Tochter fand es lustig, und Amelia sagte, es stehe mir. Sie mochte es gern, wenn ich ein bißchen taff aussah. Dagegen hatte sie nichts.
    Sie hatte nur etwas gegen Männer, die besonders Frauen gegenüber brutal oder hartherzig und egoistisch auftraten.
    Soweit ich mitbekommen hatte, muß ihr erster Mann so gewesen sein. Er war der Ansicht, Respekt bei den Frauen verschaffe man sich am besten durch ein oder zwei Ohrfeigen.
    Ich wirkte vielleicht ein bißchen grob, aber Amelia wußte, daß ich Frauen und Kindern gegenüber so weich war wie Butter in der Sonne.
    Ich setzte Maria Luisa ab und lauschte ihrem Wortstrom, der mich innerhalb weniger Minuten auf den neuesten Stand brachte, was dumme Lehrerinnen, bescheuerte Jungen, verräterische Freundinnen und ein Knie anging, das mit Jod bestrichen worden war, weil sie es sich aufgeschlagen hatte.
    Amelia und Maria ließen sich wieder auf der Bank nieder, und ich setzte mich daneben und nahm Maria Luisa auf den Schoß.
    Sie kuschelte sich an mich, während wir über das schöne warme Wetter sprachen und über so banale Sachen wie meinen Flug und daß Maria Luisa gern bald im Meer baden wollte. Amelia wußte, daß sie nicht nach Details meiner Arbeit fragen durfte.
    Sie kannte mich gut genug, um zu spüren, daß etwas nicht so war, wie es sein sollte, auch wenn ich sagte, es sei alles in Ordnung. Maria Luisa sprang von meinem Schoß und lief zu ihren Freundinnen.
    » Bueno « , sagte Maria. »Ich muß hoch und das Essen fertig machen. Juan kommt bald nach Haus.« Sie rief ihre Kinder, die heftig dagegen protestierten, schon gehen zu müssen.
    »Ich bring sie nachher mit«, sagte Amelia. »Wir bleiben noch ein bißchen. Ich mach nur ein Steak.«
    Maria ging, und Amelia schmiegte sich an mich.
    »Na, Liebster. Wie war’s denn?«
    Ich erzählte ihr von dem Tag. Sie unterbrach nicht. Mein Beruf war sicher das, was in unserer Ehe am unklarsten war. Ich wußte nicht, was Amelia von meinem Job eigentlich hielt. Ob sie ihn im Grunde verachtete, aber weder sich noch mir gegenüber wagte, ihrer Verachtung Ausdruck zu geben, weil es eben meine Arbeit war, die uns ein finanziell sorgloses Leben verschaffte.
    Sie wußte auch, daß meine Arbeit einen so großen Teil meines Lebens ausmachte, daß ich nicht von ihr lassen konnte. Ich liebte meine Familie, aber Amelia und ich wußten, daß die Familie nicht ausreichen würde, um meine Tage auszufüllen. Ich konnte auf die Spannung, die die Jagd auf ein Opfer erzeugte, noch immer nicht verzichten.
    »Wirst du Schwierigkeiten bekommen?« fragte sie, als ich mit meinem Bericht fertig war.
    »Ich glaube nicht«, sagte ich. »Darum müssen sich Oscar und Gloria und ihre Anwälte kümmern.«
    »Du mußt sie ja nicht veröffentlichen.«
    »Hältst du auf einmal zu einem bürgerlichen Minister?« fragte ich und zog sie fester an mich.
    Sie lachte.
    »Nein, nein. Sie verdienen schon, was sie kriegen, aber ich will nicht, daß du Probleme bekommst.«
    »Ich bin ein großer Junge«, sagte ich.
    »Ich weiß, aber trotzdem …«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich.
    Sie richtete sich auf.
    »Übrigens hat eine Dänin angerufen«, sagte sie. »Sie sprach kein Spanisch, aber gut englisch. Sie sagte, sie sei von der Polizei …«
    »Sicherheitspolizei. Nachrichtendienst. Sie hat mich auch angerufen. Sie wohnt da drüben.« Ich zeigte auf das Hotel Victoria, das alte schöne Stierkämpferhotel, das am Ende des Platzes wie ein weißes, ruhiges Schiff im Licht der Straßenlaternen lag.
     
    »Was will sie?«
    Ich schüttelte den Kopf und ließ Amelia

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