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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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zum hiesigen Leben, nicht wahr? Es könnte schwierig werden, die
    Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Auf jeden Fall kann sich die Bearbeitung hinziehen, und in der Zwischenzeit müssen wir Ihre Arbeitserlaubnis einziehen. Und dann die Steuerbehörden! Die könnten auf einmal anspruchsvoll werden und auch sehr langsam. Die können die wunderlichsten Papiere verlangen. Belege. Rechnungen. Unterredungen, Revision der Bücher, Durchsuchungen, mehrfache Überprüfung, Durchsicht früherer Jahrgänge, Anrufe bei Geschäftspartnern, Forderung von Rückzahlungen, Bußgelder, langwierige Gerichtsverhandlungen. Verstehen Sie?«
    »Vermutlich kann mich auch die Kirche mit dem Bann belegen?« sagte ich.
    Carillo lächelte. Der Gorilla glotzte. Er zog die Hand aus der Tasche und umklammerte einen kleinen Schlagstock, mit dem er sich langsam und rhythmisch auf den Oberschenkel klopfte. Er wollte mir wohl zeigen, daß er ihn auch benutzen würde, wenn ich nicht vernünftig war. Ein dicker, bösartig aussehender Totschläger aus eigener Herstellung. Ein schwerer Gummischlauch, gefüllt vermutlich mit Blei oder Eisen. Die beiden verhielten sich in etwa so feinfühlig wie ein Bulldozer.
    Sie hatten es offenbar eilig.
     
    »Nein. Die Kirche kann wahrscheinlich nicht viel tun, aber die Untersuchung könnte auch Familie und Freunde einbeziehen«, sagte er ohne Ironie.
    »Halten Sie meine Frau da raus«, sagte ich.
    »Wenn die Maschinerie erst mal läuft, dann läuft sie.«
    »Aber sie kann angehalten werden?«
    »Das kann sie.«
    »Aber woher soll ich wissen, daß sie nicht wieder startet?«
    fragte ich.
    Er sah mich erleichtert an. Wir waren in eine Verhandlung eingetreten. Er war der Laufbursche eines Politikers und würde die Probleme am liebsten durch einen ehrenhaften Kompromiß lösen, mit dem beide Partner leben konnten, ohne zuviel Gesicht zu verlieren.
    »Es wird nichts veröffentlicht. Wir erhalten die Bilder und die Negative, aber wir können ja nicht wissen, ob Sie nicht ein oder zwei behalten haben.«
    »Nein, das können Sie natürlich nicht«, sagte ich.
    »Aber das macht auch nichts. In einer modernen Gesellschaft ist es wichtig, eine Versicherungspolice zu haben, die auch das Unvorhergesehene abdeckt.«
    »Sie sind ein kluger Mann«, sagte ich.
    Er verstand den Sarkasmus nicht, oder er wollte ihn nicht hören. Ich wußte, daß er wußte, daß ich das Angebot annehmen würde. Denn was bedeutete die Sache eigentlich für mich? Sie bedeutete einen Haufen Geld, aber das Geld, das ich brauchte, hatte ich. Sie bedeutete, daß ich eine ordentliche Portion Stolz vergessen mußte, aber es handelte sich ja auch nicht gerade um einen Fall, den gelehrte Juristen, die sich in den Paragraphen der Meinungsfreiheit auskannten, jahrelang studieren würden. Es waren wohl kaum Fotos, die Idealisten im heiligen Namen der Pressefreiheit verteidigen würden. Es waren Fotos, die die Neugier der Leute erregen und den Hunger auf Klatsch fördern sollten. Es waren Fotos, die Öl ins Feuer des Ärgernisses gossen, aber sie änderten weder das eine noch das andere. Und persönlich war mir egal, welche Politiker an der Regierung waren. Das ging mir durch den Kopf, während der kleine Bürokrat geduldig wartete.
    »Wann kann ich rauskommen?« fragte ich.
    Er zögerte ein wenig. Da wußte ich, daß es noch Hindernisse gab.
    »In vierundzwanzig Stunden. Vielleicht etwas früher.«
    »Warum nicht jetzt gleich?«
    »Wir sollten zumindest so tun, als würden die Formalitäten eingehalten, und dann kann Sie der Richter entlassen. Um es geradeheraus zu sagen, wir haben ihn ein bißchen gedrängt, um Sie inhaftieren zu lassen. Ich glaube, es wäre nicht klug, ihn noch mehr zu drängen.«
    »Dann nimmt er sein Amt womöglich ernst«, sagte ich.
    »Womöglich.«
    »Ich finde, das stinkt.«
    Im großen und ganzen hatten sie mich verblüffend schnell ausfindig gemacht.
    Er ging in der Zelle auf und ab. Ihn gehen zu sehen zeigte mit aller Deutlichkeit, wie wenig Platz mir zur Verfügung stand.
    Wenige Schritte hin und zurück. Ich wußte, ich würde wahnsinnig werden, wenn ich monatelang in einer Zelle sitzen müßte. Er sagte: »Das mit dem Richter ist schon richtig. Aber es ist auch die Frage, ob wir die Bilder und Negative nicht gern in Händen halten wollen, bevor wir die Sache fallenlassen. Wir wollen ja keine, und das heißt überhaupt keine Berichterstattung.«
    »Ich bin isoliert.«
     
    »Da finden wir schon eine Regelung. Morgen vormittag bekommen

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