Der Augenblick der Wahrheit
kein Handy, dachte ich, sondern ein Schnurloses, so daß sicher irgendwo ein paar große staatliche Ohren hockten und mithörten. Der neue Gefängniswärter meinte, es sei gegen jede Vorschrift, aber er habe den Befehl erhalten, es mir eine Viertelstunde dazulassen, dann würde er es wieder abholen.
Auf der Stelle rief ich Amelia an. Sie nahm sofort ab und weinte, als sie meine Stimme hörte, aber ich konnte sie beruhigen. Ich glaube nicht, daß sie geschlafen hatte. Sie war allgemein eine ruhige und intelligente Frau, die sich nicht so schnell aus der Bahn werfen ließ, und sie hörte auf zu weinen, so daß wir miteinander reden konnten. Ich vermutete, daß wir abgehört wurden, aber sie durften gern hören, wie sehr ich sie vermißte und liebte und wie sehr ich mich darauf freute, Maria Luisa und sie wiederzusehen. Es gehe mir gut, und ich käme innerhalb eines Tages nach Hause. Ich hatte einen Kloß im Hals, aber ich sprach mit neutralem Tonfall und nannte sie nur Amelia und nicht »Zucker«, das war unser kleines intimes Liebeswort, und sie war ja nicht umsonst Tochter eines Nachrichtenoffiziers, so daß sie nicht versuchte, mich auszufragen. Ich erklärte ihr die Lage und die Abmachung, die ich getroffen hatte.
»Die dänische Frau hat nach dir gefragt«, sagte sie irgendwann.
»Wer?«
»Ich kann mir ihren Namen nicht merken.«
»Ach die«, sagte ich.
»Sie fragte nach … ja, du weißt schon.«
»Ich hab jetzt andere Sachen im Kopf«, sagte ich wütender, als ich eigentlich war. Und jedenfalls sollte es nicht Amelia ausbaden.
»Kann ich irgendwas tun?« fragte sie.
»Sprich mit deinem Vater. Mir geht’s gut. Wir sehen uns in Kürze. Küß die Kleine von mir.«
»Ich hab sie in die Schule geschickt. Das fand ich am besten.
Ich hab gesagt, du seist auf einer deiner Reisen.«
»Du hättest ihr ruhig die Wahrheit sagen können. Ich brauch mich wegen nichts zu schämen.«
»Das hab ich auch nicht getan.«
»Okay.«
Es entstand eine kleine Pause.
»Pedro«, sagte sie.
»Ja, mein Schatz.«
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
»Komm bald heim.«
»Mach ich. Keine Sorge. Küß die Kleine.«
»Werd ich tun.«
»Adiós«, sagte ich, drückte auf die Taste und unterbrach die Verbindung.
Die Zeit war fast vorüber, so daß ich Gloria anrief. Oscar würde erregt sein, Gloria würde es mit Ruhe aufnehmen. Oscar war in Glorias Büro. Ich konnte ihn im Hintergrund brummen und herumrennen hören, als ich Gloria den Zusammenhang aus meiner Sicht erklärte.
»Wir haben drei, vier Anwälte eingeschaltet, um dich rauszukriegen«, erklang ihre wohlbekannte und angenehme Stimme. »Aber sie berufen sich auf den Terrorismusparagraphen und sagen, sie seien nicht verpflichtet, uns etwas zu sagen. Wir sind vor Gericht gegangen, um zu erwirken, daß du nicht nach diesem Gesetz festgehalten wirst. Es sieht nicht gut aus, Peter.«
»Was sagt Oscar?«
»Oscar trabt im Zimmer auf und ab und redet von Faschismus und ist für niemanden von Nutzen. Er hört grad mit.«
»Hallo, Peter. Halt die Ohren steif!« hörte ich ihn rufen.
Ich erklärte Gloria und dem kommentierenden Oscar das Angebot der unbekannten Mächtigen und dachte daran zu sagen, daß die Presse rausgehalten werden müsse. Oscar protestierte im Hintergrund und redete von Meinungsfreiheit und davon, sich der Macht nicht zu beugen, aber das ist ja immer leicht, wenn man nicht in einer Zelle sitzt und es zum Nulltarif machen kann, während Gloria natürlich praktisch dachte: »Wir brauchen derlei Schikanen nicht. Es würde auf die Dauer geschäftsschädigend sein, und wir müssen dich rauskriegen. Ich kann den Gedanken nicht aushalten, daß du in irgendeiner Zelle verschimmelst. Das macht mich einfach rasend. Jetzt sei doch mal still, Oscar! Wir operieren von Spanien aus und haben für den Unmut der hiesigen Behörden keinerlei Verwendung. Erst mal müssen wir Peter rausholen. Was soll ich machen, Peter?«
Ich gab ihr die Telefonnummer des ministeriellen Handlangers durch und bat sie, ihm die Bilder und Negative auszuhändigen.
»Und welche Gewähr haben wir?« sagte Gloria.
»Das laß mal meine Sorge sein«, sagte ich.
»Gut, Peter. Sonst noch was?«
»Wie geht es Amelia?«
»Alles klar. Die kann man nicht so schnell außer Gefecht setzen. Aber leicht ist es natürlich nicht. Du hast da einen Goldschatz, Peter. Aber das weißt du ja selber.«
»Ja, danke.«
»Paß auf dich auf, cariño. Ich hab es noch nicht aufgegeben, dich heute
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