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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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kalten Lichts konstant blieben.
    Ich mußte wohl doch ein wenig gedöst haben, denn ich erwachte mit einem Ruck, als die Tür aufging. Es waren die beiden Handlanger aus Llanca. Der kleine verschwitzte Dicke und der große Gorilla. Der Große schielte mich bösartig an: Er hatte nicht vergessen, daß ich ihm fast das Handgelenk gebrochen hatte, und wahrscheinlich waren auch seine Hoden noch ziemlich blau. Der Kleine versuchte es mit einem Lächeln.
    Sie trugen Anzüge, aber die Tageszeit konnte man an ihren blauschwarzen, groben Bartstoppeln ablesen. Es war kurz vor vier Uhr morgens. Sie sahen abgekämpft aus. Sie kamen so früh am Morgen, weil sie wußten, daß dann die Widerstandskräfte des Menschen am schwächsten sind, aber sie sahen eigentlich müder aus, als ich es war. Ich hatte geschlummert und fühlte mich im Grunde ganz prima.
    Der Große lehnte sich an die Tür und verdeckte das Guckloch.
    Er hatte die Angewohnheit, mit der linken Hand über das Kinn zu streichen und dann mit ihr nach oben zu fahren und vorsichtig mit einem Finger in der Nase zu bohren. Eine seltsame Form von Tic, als wäre er nervös. Aber der ganze übrige Körper schien bedrohlich gelassen. Der Kleine stand an der Wand. Er hatte eine sehr schmale Nase und tote graue Augen, die so tief im Kopf saßen, als wären sie bei seiner Geburt etwas zu grob an ihren Platz gestoßen worden.
    Ich setzte mich auf und machte mich auf Prügel gefaßt, deswegen waren sie ja wahrscheinlich gekommen.
    Statt dessen warf mir der Dicke eine Packung Chesterfield und ein Einwegfeuerzeug zu. Ich steckte mir eine an, sog den Rauch tief ein und fühlte, wie es im ganzen Körper summte, ein kurzer angenehmer Schwindel ließ den Raum ein klein wenig treiben, und ganz unsinnig fielen mir die Verse eines alten Gedichts ein: Und hier in der Küche in Skåne am Radio, das auf dem blauen Wachstuch steht, ist eben die Sonne über die Hügel gestiegen, und ein wenig schwindlig von der Morgenkippe sitz ich entzückt und lausche.
     
    Sie stammten aus einem der ersten Bände von Sten Kaalø, den Sigvaldi aus seinem berühmten Kinderwagen auf der Kopenhagener Strøg verkaufte. Als junger Mann war ich von der Poesie sehr angetan. Vielleicht wollte ich selber Dichter sein. Es war eine Vergangenheitsvision, die ihre Nase vorstreckte, als wäre ich nicht ganz da und könnte zwar das Vergangene klar sehen, aber die Gegenwart stünde völlig im Nebel. Meine geistige Abwesenheit verwirrte sie. Sie deuteten sie als Angst, was vielleicht auch nicht so ganz falsch war.
    »Calvo Carillo«, stellte sich der Mann an der Wand vor.
    »Mein Kollege heißt Santiago Sotello. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Wie sieht’s denn mit einer geschäftlichen Unterhaltung aus, Pedro? Die Sache muß doch auf zivilisierte Weise gelöst werden können. Wir sind trotz allem erwachsene und reife Männer. Wir sind es gewohnt, uns in der Welt zu bewegen, und überlassen das Unüberlegte der Jugend. Das ist nun einmal deren Privileg.«
    Ich rauchte und sagte nichts, betrachtete nur seine sonderbaren Puppenaugen. Augen, wie man sie auf Maria Luisas Teddybären fand. Draufgeklebt mit einem Klecks Kleister.
    Calvo Carillo fuhr fort: »Das hier kann eine ernste Angelegenheit werden …«
    »Ihr habt nichts in der Hand«, sagte ich.
    »Ernst in dem Sinn, daß wir Ihnen weiterhin, nun, lästig fallen können. Vielleicht kommen Sie in ein paar Tagen raus. Aber dann kommen Sie wieder rein. Der Terroristenaspekt ist schwach, aber jedesmal, wenn es einen neuen Mord gibt, müssen wir Sie zum Verhör holen. Die Anzeige wegen Gewaltanwendung ist vielleicht auch ein bißchen wacklig, aber die staatlichen Mittel sind vielfältig, und wenn wir wollen, finden wir auch die ausländische Familie, die Zeuge ihres brutalen Überfalls auf königliche Bedienstete war. Dann müssen wir Sie für ein weiteres Verhör wieder einbuchten. Für eine Gegenüberstellung. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich nickte. Mir war klar, daß er recht hatte. Sie konnten mir das Leben sehr schwer machen. Als ob er meine Gedanken lesen könnte, zählte er eine Reihe weiterer Schikanemöglichkeiten auf, die ein moderner, zivilisierter, starker Staat gegenüber seinen Bürgern hat, und vielleicht besonders gegenüber den Menschen, die nicht seine Staatsbürger sind. Er trat einen Schritt vor: »Sie sind fremd in unserem Land, aber Sie haben unsere Sprache gelernt, verstehen unsere Kultur und, so darf ich wohl sagen, hegen eine gewisse Zuneigung

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