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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Leben war mein Wunsch zu sterben größer als in der Sekunde, in der ich Julian in den Armen hielt, mein Gesicht in den Haaren vergraben, die ihm nie wieder an der Stirn kleben würden, weil er nie wieder die Zeit vergessen und den ganzen Weg vom Fußballplatz nach Hause rennen konnte, um nicht zu spät zum Abendessen zu kommen. Ebenso wenig, wie ich nie wieder seinen süßlich kernigen Eigengeruch wahrnehmen würde, während er an mich gelehnt vor dem Fernseher einschlief.
    Ich presste seinen Kopf an meine Brust und sah zur Klinik. Sah über eine Ansammlung von Polizisten hinweg zum Eingangsbereich, hinter dem ein Tross von Ärzten und Pflegern mit Julians Mörder verschwunden war. Ich wusste, dass ich es nicht mehr schaffen würde, ihn einzuholen, um dabei zu sein, wenn Frank seinen letzten Atemzug tat. Ich betete nur, dass er es unter Qualen tat, und umklammerte meinen Jungen noch heftiger.
    Als ich den festen Entschluss gefasst hatte, den Wagen nie wieder zu verlassen, begann Julian in meinen Armen zu husten.

70. Kapitel
    Ü
berwältigt.
    Wie oft hatte ich das Wort schon missbraucht? Im Zusammenhang mit Theateraufführungen, Filmen oder Konzerten, wenn ich meine Begeisterung über die Künstler zum Ausdruck bringen wollte. Beim Anblick von Sonnenaufgängen, Wasserfällen und anderen Naturschauspielen, oder Nicci gegenüber, als ich ihren ersten Liebesbrief aus der Hand legte.
    Überwältigt.
    Wie oft hatte ich das Wort gebraucht und dadurch abgenutzt, weil ich seine Bedeutung nicht einmal annähernd verstand?
    Wenn es einen Moment in meinem Leben gab, in dem ich die Welt um mich verschwunden glaubte, das gesamte Universum reduziert auf den Innenraum eines Automobils, dann war es der
überwältigende
Augenblick, als mein Sohn die Augen aufschlug.
    »Julian«, wollte ich sagen.
    Tatsächlich schrie ich es, presste mir die Faust in den Mund und spürte einen herrlichen Schmerz, als ich zubiss, der mir ebenso wie der Geschmack meines eigenen Blutes die Befürchtung nahm, ich könnte aus dem schönsten aller Träume erwachen und in den Alptraum meines Lebens zurückfallen.
    Aber ich wurde nicht wachgerüttelt.
    Es gab keine Ärzte, die mich in meinem Krankenbett beruhigten und mir Julian als eine haptische Halluzination erklärten, hervorgerufen als Nebenwirkung meiner Gehirnverletzungen.
    Ich schrak nicht hoch.
    Es kam schlimmer.
    Julian öffnete die Augen, die Zunge brach zwischen den Lippen hervor, die sich verformten, um ein einziges Wort herauszupressen: »Frank.«
    »Ich weiß«, sagte ich und gab ihm einen Kuss. »Du brauchst keine Angst mehr vor ihm haben. Er ist tot.«
    Mein Sohn erstarrte in meinen Armen.
    »Tot?«, fragte er, dann begann er zu weinen, und ich dankte dem Schicksal für diese befreienden Tränen, von denen ich hoffte, dass sie ein erster Schritt waren, das Leid aus seinem Innersten zu spülen.
    Ich war nicht verrückt. Julian war, aus welchem Grund auch immer, noch am Leben. Er war nicht gestorben, sondern weinte sich gerade in meinen Armen in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
    Und dennoch war die
überwältigendste
Euphorie meines Lebens nur von kurzer Dauer. Sie reichte nur bis zu dem Moment, als ich das schnarrende Vibrationsgeräusch hörte.
    Heute bin ich mir sicher, der Alarm musste schon eine geraume Weile immer wieder angeschlagen haben, seitdem ich in dem Wagen saß, nur hatte ich es verdrängt, und vielleicht hätte ich das Telefon in der Ablage über dem Autoradio auch noch länger ignoriert, wenn mein Blick nicht zufällig das Lenkrad des Wagens gestreift hätte.
    Genauer gesagt die Zündung, in der noch der Schlüssel steckte.
    Samt Anhänger.
    Ein Plastikmännchen in Sträflingskleidung mit einem Strick um den Hals.

71. Kapitel
    D ann denke ich mal, das Spiel ist aus«, sagte eine fiebrige Stimme. Der SMS -Alarm des Telefons aus der Ablage hatte vierzehn Anrufe in Abwesenheit angezeigt, alle von derselben Nummer.
    »Jetzt, da du in meinem Auto sitzt und mich mit meinem eigenen Handy zurückrufst.«
    Mir war noch nie in den Bauch geschossen worden wie dem Mann am anderen Ende der Leitung, aber es konnte sich nicht schlimmer anfühlen als die Wunden, die seine Worte in diesem Moment bei mir aufrissen.
    »Scholle?«, fragte ich fassungslos und ließ mich zu Julian auf die Rückbank fallen.
    »Du hast …« Ich griff nach meinem Sohn, der wieder eingeschlafen war. Er fühlte sich kalt an, aber er atmete.
    »Du hast Frank dabei geholfen?«
    Bei den Entführungen? Bei den Morden

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