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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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er so weit?«
    »Zum Sterben?« Der glatzköpfige Anästhesist zog seinen Mundschutz herunter, auf den es jetzt ohnehin nicht mehr ankam. »Seine Atmung ist aktiv, er wacht langsam auf.«
    Die verkürzten Abstände der Pieptöne des Überwachungsmonitors bestätigten seine Aussage.
    »Aber ich warne Sie ein letztes Mal: Wenn ich jetzt den Tubus löse und er zu sich kommt, werden Sie den Tod des Patienten zu verantworten haben.«
    Ich signalisierte ihm mit meiner Waffe, dass ich damit sehr gut leben konnte.
    »Hey, Alex.«
    Ich fuhr herum. Stoya stand in der geöffneten OP -Schleuse. Er hatte Mantel und Jackett ausgezogen, trug nur noch ein Unterhemd, das sich über dem Bauch wölbte, und drehte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen einmal um sich selbst, um mir zu zeigen, dass er unbewaffnet war.
    »Darf ich reinkommen?«
    »Nein«, sagte ich und nickte dem Arzt zu, der immer noch zögerte.
    »Ich verstehe, wie du dich fühlst«, versuchte Stoya, eine Verbindung zu mir aufzubauen. Ebenso gut hätte er mir einen Brief schreiben können. Ich achtete nicht auf ihn. Der Tubus löste sich mit einem schmatzenden Geräusch aus Franks Rachen. Die folgende Reaktion fiel ebenso schnell wie heftig aus. Im ersten Augenblick hörte er vollständig auf zu atmen, Mund und Augen weiteten sich wie bei jemandem, der sich verschluckt hat und auf sich aufmerksam machen will, dann ging es los.
    Die Zuckungen begannen ohne Vorwarnung. Auf einmal zappelte er wie ein Fisch in einem leeren Eimer.
    »Meine Güte«, hörte ich Stoya hinter uns keuchen.
    »Das ist der Schock«, erklärte der Arzt.
    Ich habe es Ihnen gesagt,
lag in seinem vorwurfsvollen Blick.
    Der Anästhesist bemühte sich mit beiden Händen, Franks fremdgesteuerten Körper auf dem Tisch zu halten. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Schmerzen, die bis vor kurzem noch durch einen Staudamm an Betäubungsmitteln zurückgehalten worden waren, wollten sich jetzt ihren Weg nach draußen bahnen.
    »Bitte, Zorbach, hör auf«, sagte Stoya, als ob ich in der Lage gewesen wäre, das hier wieder rückgängig zu machen.
    Im Gegensatz zu ihm empfand ich eine eigenartige Genugtuung und hätte die Muskelkrämpfe gut noch eine Zeitlang beobachten können. Fast widerstrebte es mir, den Arzt zu bitten, er möge Franks Anfall lindern, aber so konnte ich keine Informationen aus dem Schwein herauspressen. Der Anästhesist handelte bereits und öffnete den Hahn eines weiteren Tropfes, ohne dass ich etwas gesagt hatte.
    Es dauerte, bis der Takt der Überwachungssignale sich wieder etwas beruhigte und Frank die Augen aufschlug. Sein Blick irrte umher.
    Ich beugte mich über ihn, sah mein eigenes Spiegelbild in seinen glasigen Augen.
    »Wo ist mein Sohn?«, fragte ich, die Waffe weiterhin auf den Arzt gerichtet, damit Stoya nicht auf dumme Gedanken kam.
    Frank sah mich an und verzog die Lippen zu einem grausigen Lächeln. Selbst im Tod wollte er mich noch verhöhnen.
    Ich wollte ihm die Faust in sein jungenhaftes Gesicht schmettern, ihn am Hals packen und würgen, aber da sich beides verbot, musste ich es bei verbalen Drohungen belassen. »Wenn du mir nicht sofort sagst, was du mit Julian gemacht hast, werde ich dir einen Liter Toilettenreiniger in die Venen jagen.«
    Er hob die rechte Hand, seine Finger verkrampften sich in den Ärmel meiner Jacke.
    »Wo?«, fragte ich und schüttelte ihn ab. Er schluckte. Einmal, zweimal. Dann fiel sein Kopf zur Seite, und ich musste mich hinknien, um ihn zu verstehen.
    »Auto.«
    Frank klang wie ein Kleinkind, das ein neues Wort ausprobiert.
    »Auto? In einem Wagen?«
    Er blinzelte.
    »In welchem?« Ich schrie ihn an. »In welchem verdammten Auto liegt er?«
    »Vor …« Seine Augen rutschten zur Seite, für einen Moment sah ich nur noch das Weiße, dann wurde sein Blick wieder etwas klarer.
    »Vor der …«
    Sein Atem klang wie ein nasser Müllsack, den man über den Boden zieht. Er hustete und sagte endlich das entscheidende Wort.
    Es klang wie »Lini«, weil sein Kehlkopf keine K-Laute mehr bilden konnte, aber ich verstand ihn sofort.
    Klinik.
    Der Dreckskerl meinte das Auto, mit dem er es bis hierher zum Krankenhaus geschafft hatte.
    »Hier?«, fragte ich, um sicherzugehen, und er blinzelte. Tränen traten ihm wie Rotzfäden aus den Augen.
    »Wo?« Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und schüttelte ihn. »Wo genau steht dieser beschissene Wagen?«
    Mit dem du die Leiche meines Sohnes transportiert hast.
    Er gab keine Antwort

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