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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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von mir verschleppt«, sagte ich. »Sie heißt Alina Gregoriev und ist blind. Sie können sich sicher vorstellen, wie sie sich in dieser Sekunde fühlen muss, ohne Augenlicht dieser Bestie ausgeliefert zu sein.«
    Ich meinte ein Zucken in Tamaras Mundwinkeln gesehen zu haben, war mir dessen aber nicht sicher.
    »Ich weiß, Sie wollen nicht über den Mann reden, der Ihnen das angetan hat. Glauben Sie, ich bin der Erste, der das verstehen kann. Auch mein Leben wurde zerstört.«
    Jetzt waren es meine Mundwinkel, die zuckten, und ich konnte nichts dagegen tun. Trauer ist wie ein Erdbeben. Sie übermannt einen ohne Vorwarnung mit unkontrollierbaren Auswirkungen. »Meine Frau wurde ermordet, mein Kind verschleppt und getötet. Und so wie es aussieht, steht die Bestie, die mir das angetan hat, in irgendeiner Verbindung zu Suker.«
    Ich stand auf und ging zu der Wand gegenüber ihrem Bett. Sie war mit Zeichnungen übersät.
    Meine Augen hatten sich mittlerweile an das Schummerlicht gewöhnt. Ich konnte erkennen, dass einige Zeichnungen noch unfertig waren, ungelenk und mitten im Strich abgebrochen. Andere waren eine nahezu identische Kopie des Bildes, das im Zimmer meines Sohnes hätte hängen müssen: das Haus im Dörferblick, unser ehemaliges Familienanwesen aus dem Blickwinkel eines damals Neunjährigen gemalt. Ich zählte mindestens ein Dutzend DIN -A4-große Ausfertigungen.
    »Warum?«
    Ich war völlig unvorbereitet in dieses Gespräch gegangen, aber jetzt wusste ich genau, worauf ich hinauswollte. Zwar gab es Tausende von Fragen, die ich Tamara hätte stellen können, aber ich konnte von Glück sagen, wenn ihr Geisteszustand es ihr erlaubte, nur eine einzige davon zu beantworten. Und die musste ich daher sorgsam auswählen.
    »Warum haben Sie das gemalt?«
    Draußen, hinter den jalousieverhangenen Fenstern, ratterte in einiger Entfernung ein Güterzug vorbei, und ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich wünschte, er würde mich mitnehmen.
    »Ich will keine Zeugenaussage von Ihnen, Tamara. Ich will keine Details Ihres Martyriums erfahren. Beantworten Sie mir nur diese eine Frage, und ich verschwinde sofort wieder aus Ihrem Leben. Dieses Motiv hier«, ich tippte wahllos auf eine der Zeichnungen, »hat mein Sohn Julian gemalt. Und ich würde gerne wissen, weshalb Sie …«
    »Julian?«, fragte sie.
    Ich erstarrte.
    »Wie bitte?«
    Tamara saß immer noch teilnahmslos auf ihrer Bettkante. Hätte der Brustkorb sich unter ihrem Nachthemd nicht so deutlich bewegt, hätte man denken können, sie wäre eine Puppe.
    Oder tot.
    »Julian Zorbach?«
    Ihre Zunge schnellte wie eine Schlange aus dem Mund, benetzte die brüchigen Lippen und verschwand wieder. Hätte ich das nicht gesehen, hätte ich ihre Worte vermutlich als akustische Halluzination abgetan.
    »Ja. Sie kennen ihn?«, fragte ich und setzte mich wieder auf den Stuhl, diesmal rittlings, damit ich mich auf die Lehne stützen konnte.
    »Dann müssen Sie Alexander sein.«
    Ich bejahte erneut, verstört über die Wendung, die das Gespräch so plötzlich genommen hatte. Doch es sollte noch verwirrender werden.
    »Gott sei Dank, Sie sind gekommen«, sagte sie erleichtert. »Ich hatte schon nicht mehr mit Ihnen gerechnet.«
    »Woher kennen Sie mich?«
    Sie schüttelte den Kopf, als dürfe sie mir das nicht sagen. Dann streckte sie die Hand vor: »Geben Sie mir erst die Nachricht!«
    »Nachricht? Was denn für eine Nachricht?«
    Kaum hatte ich das gefragt, wanderte ein Ausdruck kompletten Entsetzens über Tamaras ohnehin schon gequältes Gesicht.
    »Dann … dann haben Sie den Zettel nicht dabei?«
    Tränen traten ihr aus den aufgeschnittenen Augen. Ich überlegte, ob ich nach ihren Händen greifen sollte oder ob eine intime Berührung den plötzlichen Gefühlsausbruch noch verschlimmern würde. Im Augenblick bestand eine unsichtbare emotionale Grenze zwischen uns, die ich nicht zu überschreiten wagte.
    »Es tut mir leid, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Tamara.«
    »Dann ist alles verloren«, sagte sie erstickt wie jemand, der sich in sein Schicksal fügt. »Dann war alles vergebens.«
    Ich setzte an, um ihr zu sagen, dass ich ihr nicht helfen konnte, wenn sie in Rätseln sprach, entschied mich aber schließlich für eine andere Strategie.
    »Okay, Tamara, vielleicht ist wirklich alles verloren, doch dann müssen Sie sich hier auch nicht mehr verstecken, oder? Denn wenn ohnehin alles vergebens ist, besteht kein Grund mehr zum Schweigen, und Sie können sich mir

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