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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Gedanken wandelte.
    Vielleicht muss ich einfach nur genug Lärm machen, und ein Passant wird auf mich aufmerksam. Auf mich und auf …
    Sie schrak auf, als ihr klarwurde, dass ihre Mitgefangene noch keinen Ton von sich gegeben hatte, seitdem sie aufgewacht war.
    »Nicola?«
    Keine Antwort. Neben ihr war es ruhig, nicht mal mehr die rasselnden Atemgeräusche des Mädchens waren zu hören.
    »Nicola, bist du noch hier?«
    Lebst du noch?
    Sie drehte sich nach rechts und streckte den freien Arm, so weit es ging, nach vorne.
    Nichts.
    Sie hatte nicht erwartet, etwas zu berühren. Dreißig, vierzig Zentimeter Abstand lagen zwischen ihnen, hatte Nicola gesagt; zu lang für ihren Arm, mit dem sie in der Dunkelheit herumtastete.
    Erneut flammte der Zorn in ihr auf, erneut riss sie an der Kette, und diesmal trat zu ihrer Verblüffung eine Veränderung ein. Zuerst glaubte sie, sie habe so stark gezogen, dass ihr Körper auf der Liege nach hinten gerutscht wäre, aber da sie auch mit den Füßen an ihre Unterlage gefesselt war, konnte das nicht der Fall sein. Ihre Bewegung, wenn sie denn keine Einbildung war, ließ nur eine Schlussfolgerung zu:
    Ich habe den Tisch bewegt.
    Alina lachte laut auf.
    Verdammt, ich habe mich selbst mitsamt dem Operationstisch durch den Raum gezogen.
    Wenn auch nur wenige Zentimeter und ohne zu wissen, ob sich ihre Lage dadurch zum Positiven oder zum Negativen verändert hatte. Aber wenn man den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte, war jede Veränderung ein Fortschritt.
    Nicht wahr, John? So würdest du doch auch denken, oder?
    Diese neue Entwicklung brachte zumindest in zwei Punkten Licht in die Dunkelheit ihres ansonsten ungewissen Schicksals: Zum einen wusste sie jetzt, dass ihre rechte Hand über die Kette an einem festen, unbeweglichen Gegenstand fixiert war, vermutlich an einer Wand hinter ihr. Zum anderen hatte sie die Bestätigung dafür, dass ihr Operationstisch auf beweglichen Rollen stand.
    Sie fasste einen Plan, der zunächst nur darin bestehen sollte, so lange an der Kette zu ziehen, bis sie die Wand hinter sich erreicht hatte. Doch schon nach wenigen schweißtreibenden Zentimetern wich sie von ihrem Vorhaben ab, als sie merkte, wie der Tisch mit dem Fußende nach rechts driftete und gegen einen anderen, ebenfalls beweglichen Gegenstand schlug.
    »Zwischen uns steht so ein Rolltisch mit mehreren Schubladen, wie im Krankenhaus, wenn dir das weiterhilft«,
erinnerte sie sich an Nicolas Beschreibung.
    Das sanfte, metallische Klirren bestätigte ihre Vermutung, womit sie zusammengestoßen war, wobei
stoßen
das falsche Wort war. Ihre OP -Liege hatte den Beistelltisch nur leicht berührt, aber das hatte ausgereicht, um das darauf abgelegte Operationsbesteck durcheinanderzubringen.
    Alina wagte einen zweiten Anlauf, drehte sich noch einmal, so weit sie es konnte, um die eigene Achse nach rechts und streckte den linken Arm in die Richtung aus, in der sie den Beistelltisch vermutete.
    Sie wollte schon aufgeben, da traf die Spitze ihres Mittelfingers auf eine kalte, glatte Kante. Sie riskierte es, erneut an der Fessel zu ziehen, in der Hoffnung, dass ihre jetzt schräg gestellte OP -Liege den Beistelltisch näher zu ihr heranrücken würde, und tatsächlich …
    Bingo!
Aus dem Wutschrei, den sie gerade hatte ausstoßen wollen, wäre um ein Haar ein Freudenschrei geworden, denn der Tisch war in Reichweite, und das, was sie berührte, stellte sich nicht länger als eine Kante dar, sondern als …
    … als ein Griff! Scheiße, ist das geil, ich hab den Griff einer Schublade in der Hand!
    Warum sie das so glücklich machte, konnte sie sich selbst nicht erklären, sie war auch weit davon entfernt, darüber nachzudenken. Sie freute sich ganz einfach,
etwas
tun zu können, auch wenn
etwas
schlicht und allein darin bestand, den Beistelltisch an dem Griff der obersten, verschlossenen Schublade näher zu sich heranzuziehen. Als sie es endlich geschafft hatte und sie mit ihrer linken, sich immer noch fremd anfühlenden Hand die glatte Oberfläche berührte, hätte sie jubeln können.
    Jetzt hab ich dich!,
dachte sie im Überschwang der Emotionen.
Das war dein Fehler, du Affenarsch, und den wirst du büßen. Du hättest hier besser aufräumen sollen.
    Alina griff in die Nierenschale, die sie auf dem Tisch ertastet hatte, und hörte selbst dann nicht auf, sich zu freuen, als das darin abgelegte Skalpell ihr in den Daumen schnitt. Alles, woran sie denken konnte, war die Waffe, die sie gefunden hatte.
    Etwas

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