Der Augensammler
meint, Herr Lahmann? Mit dem Liebestest?«
Stoya hatte sich hinter ihm aufgebaut und warf einen Schatten auf den Monitor.
»Nein, keine Ahnung. Darüber hat er nie mit mir gesprochen.« »Dann, so denke ich, wird es allerhöchste Zeit für ein Gespräch mit ihm«, knarrte Hohlforts Stimme aus den Lautsprechern.
Stoya klappte den Computer zu. »Sie wissen selbst, dass Ihr Boss über unerklärliches Täterwissen verfügt. Er kennt nicht nur die gefolterte Krankenschwester, sondern auch das jüngste Opfer, Lucia Traunstein, deren Handy er noch Stunden nach ihrer Ermordung angerufen hat. Das mag ein Beleg für seine Unschuld sein oder aber für seine Wahrnehmungsstörungen. Doch jetzt scheint er auch noch das Motiv des Augensammlers zu kennen. Ich habe keine Ahnung, was es mit dem verdammten Liebestest auf sich hat. Und ich weiß auch nicht, wie tief Zorbach in der Sache wirklich drinsteckt. Aber ich weiß ganz sicher, dass ich ihn so schnell wie möglich finden muss. Um jeden Preis.« Stoya stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab und sah drohend auf Frank herab. Sein Gesicht war so nah, dass Frank die feinen Blutfäden sehen konnte, die sich auf den Flimmerhärchen in Stoyas Nasenlöchern festgesetzt hatten.
»Ich werde ihn finden. Und Sie werden mir dabei helfen, Frank. Ob Sie wollen oder nicht.«
25. Kapitel
(Noch 2 Stunden und 29 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Alexander Zorbach (Ich)
Gerade als ich spürte, dass sie kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren, hörte sie auf. Einfach so. Sie blieb rittlings auf mir sitzen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und bewegte sich nicht mehr.
»Was ist?«, fragte ich verstört und zog die Hand unter ihrer Bluse hervor.
Eben noch hatte ich das Gefühl gehabt, ihre Gedanken lesen zu können, so sehr fühlte ich mich mit ihr verschmolzen, und plötzlich war sie meilenweit von mir entfernt, obwohl ich noch in ihr war. »Ich fühle nichts«, keuchte sie atemlos. Ich sah sie entgeistert an. Sie hatte laut geschrien und mir in den Nacken gebissen, während ihr Körper von einer Lustwelle durchflutet wurde.
»Ach ja?«, versuchte ich mit einem Scherz die Distanz zwischen uns wieder zu verringern. Ich packte sie an der Hüfte und schob das Becken etwas weiter vor. Sie stöhnte auf und presste die Hand vor den Mund. »Du fühlst also rein gar nichts?« »Idiot. Das meine ich nicht.«
Mit einer raschen Bewegung befreite sie sich aus meiner Umarmung und stieg von mir ab.
»Sondern?«
Ihre Füße tasteten vor dem Couchtisch nach ihrer Jeans. »Es passiert einfach nichts, wenn ich dich anfasse. Den Augensammler habe ich nur kurz an den Schultern berührt. Aber mit dir kann ich schlafen und ... nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Weißt du, ich hatte schon viele Männer. Ich weiß natürlich, dass ein einfacher Kontakt nicht ausreicht. Ich habe mich nur so oft gefragt, weshalb es immer nur bei den Arschlöchern passiert, die mir weh tun. Und nicht bei jemandem wie dir, mit dem es einfach schön ist.« Mit dem es einfach schön ist.
Manchmal bedarf es nicht vieler Worte, um ein Gedicht zu formulieren.
»Ich kann nicht in deine Vergangenheit sehen«, stellte sie noch einmal klar.
»Glaub mir, darüber sind wir beide glücklich.« Sie lachte nicht. Lächelte nicht einmal schwach. Alina blieb einfach neben mir sitzen, das eine Bein in ihrer Jeans, das andere auf der Couch abgestützt, und seufzte. »Vielleicht habe ich nicht diese negative Energie in mir«, schlug ich vor. Noch vor wenigen Stunden hätte ich ihr geraten, psychologische Hilfe wegen ihrer Wahrnehmungsstörungen in Anspruch zu nehmen. Doch seitdem uns ihre Visionen in die Hölle des Augensammlers geführt hatten, war mein skeptisches Weltbild ins Wanken geraten. »Nein, das ist es nicht.«
Sie knöpfte die Jeans zu und zog die Beine auf die Couch. »Bis heute dachte ich auch, es hätte etwas mit der negativen Energie der Person zu tun, die ich berühre. Aber die arme Frau im Keller war voll davon, und trotzdem habe ich nichts außer dem gespürt, was auch deine Fingerspitzen ertastet haben. Und da wurde es mir klar. Ich wusste auf einmal, weshalb ich manchmal diese Empfindungen habe und manchmal nicht.« »Weshalb?«, fragte ich leise.
Was hast du in dem Keller über dich herausgefunden? »Es ist nicht die Berührung allein, die mich in die Vergangenheit mancher Menschen sehen lässt.« »Sondern?« »Der Schmerz!«
Ich wollte meine Hand zurücknehmen, doch Alina hielt sie
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