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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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gekrochen war, und dann erkannte ich es. Ich öffnete die Lider, drehte den Kopf nach oben, und da stand es tatsächlich.
    Das Straßenschild!
    »Er kriegt sein Geschenk«, flüsterte ich ins Telefon und legte auf.
    »Was ist?«, wollte Frank wissen.
    Meine Finger waren klamm und fühlten sich blutleer an, während ich meine Armbanduhr abstreifte. »Ist zwar nicht die Marke, die sich Julian gewünscht hat, aber dafür zehnmal so teuer.«
    Ich reichte sie ihm mit zittriger Hand.
    »O nein, nein.« Frank schüttelte den Kopf. »Ich lass dich jetzt nicht allein.«
    »Bitte, tu mir den Gefallen. Du weißt, wo ich früher gewohnt habe. Bring das Ding zu Nicci, sag ihr, sie soll sie polieren und einpacken, und sag ihr auch, dass ich es wieder gutmachen werde.« »Nein.«
    »Bitte, wir haben keine Zeit mehr.«
    Alina, die reglos an dem Wagen gelehnt hatte, drehte das Ohr in meine Richtung. Auch sie wirkte auf einmal unglaublich angespannt, als spüre sie die Bedrohung, die ich eben erst wahrgenommen hatte. Auf dem Straßenschild. »Und wenn du Hilfe brauchst?«
    Frank sah mir direkt in die Augen, und ich spürte, dass er es wusste. Er war jung, aber er war nicht blöd, das hatte er mehrfach bewiesen. Frank konnte eins und eins zusammenzählen und ahnte natürlich, dass ich ihn nicht ohne Grund von hier fortschickte.
    »Du hilfst mir jetzt am meisten, wenn du das Geschenk zu meinem Sohn bringst, okay?«
    Ich sah, wie er die Lippen spitzte, um einen letzten Einwand vorzubringen, aber dann schien er in sich zusammenzusinken. Wortlos stieg er in den Wagen, warf mir einen traurigen, enttäuschten Blick zu und fuhr los, ohne sich zu verabschieden.
    Meine Augen wanderten wieder zu dem Straßenschild. Laut dem ausgeblichenen Schriftzug befanden wir uns in der Grünauer Straße, und das nicht an irgendeiner Stelle, sondern direkt vor einem dunklen Lagergebäude. Grünauer Straße.
    Das war es, was mein Gehirn erkannt hatte, noch bevor meine Augen es sehen wollten. Grünauer Straße 217.
    Die Zahlen auf der Rückseite des Fotos, das ich auf dem Nachttisch meiner Mutter entdeckt hatte, waren kein Datum. Sondern eine Hausnummer. Grünau 21.7.
    Und wir standen direkt davor.

11. Kapitel
    (Noch 3 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Alexander Zorbach (Ich)
    Es war noch gar nicht lange her, da hatte ich mit Julian das Studiogelände des Filmparks Babelsberg besucht und mir die Kulissen eines Kriegsfilms angesehen, der dort produziert wurde. Ich weiß noch, wie beeindruckt wir von der Nachbildung eines zerbombten Hauses gewesen waren. Eingefallene Wände, zerplatzte Fensterscheiben, der ausgebrannte Dachstuhl, aus dem Mauerreste wie zersplitterte Knochen gen Himmel ragten - all das hatte man täuschend echt in Szene gesetzt. Doch das alles war ein müder Abklatsch gegenüber dem Anblick, der sich mir gerade bot.
    Warum tut er das? Weshalb gibt der Augensammler mir all diese Hinweise?
    Ich stand im ersten Hinterhof des verfallenen Fabrikgeländes an der Grünauer Straße 217 und hatte einmal mehr das Gefühl, an einer unsichtbaren Hundeleine ins Verderben geführt zu werden.
    Er spielt ein Spiel, ordnete ich meine Gedanken. Verstecken. Das älteste Kinderspiel der Welt. Und ich spiele es nach seinen Regeln. Folge seinen Hinweisen, die er mir wie Zettel bei einer Schnitzeljagd vor die Füße wirft. »Du musst mir helfen«, bat ich Alina. Nicht mehr lange, und der Tag würde anbrechen, noch lag das morgendliche Berlin unter einem dichten Wolkenkessel. Sah man zum Himmel, wirkte der Mond wie eine Taschenlampe unter einer Daunendecke. In die Gänge, die die verschiedenen Höfe verbanden, drang kaum ein Lichtstrahl.
    »Ich brauche einen Hinweis von dir.« Alina ballte die linke Hand, und ich sah, wie der Schmerz ihr Gesicht verzerrte. Ich brauche eine weitere Erinnerung! Natürlich hatte ich Stoya bereits informiert, doch der Ermittler hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht einen einzigen Mann mehr abziehen würde, nur um einer meiner neuen Phantastereien zu folgen. Und selbst wenn er mir gleich eine ganze Armee geschickt hätte, wäre es nicht ausreichend gewesen.
    »Das Gelände ist einfach zu groß, Alina. Es gibt mindestens vier Höfe und rundherum nichts als Ruinen, das ist alles, was ich von hier aus erkenne.« »Es tut mir leid, Alex.«
    Sie öffnete die Lider, schloss sie aber sofort wieder, als ihr feiner, aber unangenehmer Schneeniesel in die Augen wehte.
    »Alles, was ich vorhin gefühlt habe, war ein Schiff. Keine

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