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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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an der Unterseite und versuchte zu drehen, doch alles, was geschah, war, dass er sich beim vierten Versuch den Fingernagel blutig riss.
    Scheiße. Ich brauche einen Schraubenzieher. Oder ein Messer.
    Er lachte hysterisch.
    Na klar, Jens und Kevin haben dir ein Messer reingelegt, damit du den Stoff durchschneiden kannst. Jetzt hustete Tobias wieder, und auf einmal war er sich sicher, woran es lag, dass er so schwitzte, dass sein Rachen brannte und dass er immer erschöpfter wurde: Mir geht hier drinnen die Luft aus. Kacke. Ich ersticke langsam, wenn ich nicht bald etwas Hartes finde, das ich in den verdammten Schlitz stecken kann. Moment mal . Er schloss die Augen und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Etwas Hartes.
    Seine Finger begannen wieder zu kribbeln, als er sich an die Münze in seinem Mund erinnerte, die er vor gut einer Stunde angewidert in die Dunkelheit gespuckt hatte.

62. Kapitel
    (Noch 10 Stunden und 19 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Alexander Zorbach (Ich)
    Ich weiß nicht, wo ich den Jungen hingebracht habe«, sagte Alina, nachdem sie sich bei mir untergehakt hatte, damit ich sie die Treppe hinauf- und über den schmalen Steg vom Boot hinunterführen konnte. Der Wind hatte etwas nachgelassen.
    Wie dünn sie ist, war mein erster Gedanke, während wir in den Wald hineingingen. Trotz ihrer dicken Pullover konnte ich darunter ihre Rippen spüren, und um ihr Handgelenk hätte ich zweimal die Finger schlingen können. Wir blieben kurz stehen, damit ich den Fokus meiner Taschenlampe einstellen konnte, und dabei streifte der matte Strahl ihre Hosenbeine. Mir fiel ein schmutzverkrusteter Riss unterhalb des Knies auf, der mir im Halbdunkel der Kajüte entgangen war und der ganz offensichtlich von einem Sturz auf dem Hinweg rührte.
    »Wenn ich wüsste, wo der Junge versteckt ist, wäre ich sicher nicht so dämlich gewesen und hätte nach Ihnen im Wald gesucht«, sagte sie, während ich versuchte, mich neben ihr zu halten, was bei dem engen Weg kaum möglich war. »Dann hätte ich der Polizei ja beweisen können, dass ich keine Spinnerin bin.«
    Je weiter wir uns vom Ufer entfernten, desto dichter wurde der Grunewald. Wind und Regen kamen hier kaum noch durch, dafür löste sich Schnee aus den Ästen über unseren Köpfen und verdeckte die gefährlichen, vereisten Stellen des Weges vor uns. Zweimal wäre ich selbst beinahe umgeknickt, einmal konnte ich es nicht verhindern, dass Alina stolperte, nachdem ihr ein dicker Tannenzweig ins Gesicht geschlagen war, den meine Taschenlampe zu spät erfasst hatte. Wieder fragte ich mich, welche Willenskraft ein Mensch haben musste, um sich blind in ein solches Abenteuer zu stürzen, selbst wenn er einen ausgebildeten Führhund an seiner Seite wusste. TomTom marschierte langsam, aber konzentriert den Pfad hinauf und ließ sich weder von dem Knacken der Äste noch von anderen Geräuschen beirren. Die Gegend war bekannt für die zahlreichen Wildschweine, die bei ihrer winterlichen Nahrungssuche durch die Wälder zogen. Doch sollte ein Keiler, ein Fuchs oder ein anderes wildes Tier durch uns aufgestöbert worden sein, so hatte der Retriever sich dadurch nicht eine Sekunde von seiner Fährte abbringen lassen und uns beide sicher und wohlbehalten zu meinem Volvo zurückgeleitet. »Es ist wie ein Film«, sagte Alina, nachdem sie sich aus meinem Griff gelöst hatte und ohne meine Hilfe in mein Auto eingestiegen war. Ich startete den Motor und beobachtete beim Zurücksetzen, wie sie ein Stofftaschentuch aus dem Rucksack nahm, den sie danach zu TomTom auf die Rückbank warf. Mit dem Tuch wischte sie sich erst über das nasse Gesicht, dann versuchte sie mehr schlecht als recht ihre schneefeuchten Haare abzutrocknen. Wie ein Film?
    Offensichtlich wartete sie darauf, dass ich ihre Feststellung kommentierte, also tat ich ihr den Gefallen, während ich im Schritttempo rückwärtskroch. Nur noch wenige Meter, dann musste ich ohnehin wieder aussteigen, um die Barriere zur Seite zu rollen, die meine geheime Zufahrt blockierte.
    »Wovon sprechen Sie?«, fragte ich also. »Von meinen Rückblenden. So stelle ich mir einen Kinofilm vor. Nur dass ich das Video in meinem Kopf nicht einfach so vor- und zurückspulen kann.« »Sondern? Wie rufen Sie dann Ihre Erinnerungen ab?« »Gar nicht.«
    Wir hatten das Dornengestrüpp erreicht, das die Grenze zur Ausfahrt auf den Nikolskoer Weg markierte, und ich trat auf die Bremse. »Das verstehe ich nicht. Eben haben Sie mir doch detailliert

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