Der Augensammler
an, ich soll zu Ihnen in den Wald kommen ...« »Das war nicht ich, das war ...«
... irgendjemand, der mir etwas in die Schuhe schieben will. Aber wieso? Wenn ich tatsächlich als Sündenbock für die Taten des Augensammlers herhalten soll, weshalb macht er es so kompliziert und schickt mir diese verrückte Blinde? »... dann, nachdem ich mir fast das Genick gebrochen habe«, zählte Alina weiter auf, »können Sie sich nicht an die Einladung erinnern und wollen mich von Ihrem Hausboot schmeißen, nur um mich dann in ein Haus zu locken, wo ich den Vater der entführten Kinder angrabschen muss. Und das, obwohl Sie mir genauso wenig glauben wie die Polizei gestern.«
»Polizei? Moment mal . « Frank drehte sich zur Rückbank, wodurch der Wagen gefährlich weit nach rechts schlingerte. Ich griff in das Lenkrad, um ihn auf der Spur zu halten.
»Das gibt's doch nicht«, sagte er, den Blick wieder geradeaus gerichtet. Er schaltete die Innenbeleuchtung über unseren Köpfen an und sah noch einmal in den Rückspiegel. »Was?«, fragten Alina und ich wie aus einem Mund.
Draußen hatte der Schneeregen wieder eingesetzt. »Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Frank und schaltete den Scheibenwischer auf die niedrigste Stufe. Das Gummi der Wischer quietschte wie ein Fingernagel auf einer trockenen Tafel. »Ich glaube, wir sind uns gestern schon einmal begegnet.«
53. Kapitel
Ach ja?« Alinas Oberkörper spannte sich an. Sie hatte einen ihrer drei Pullover ausgezogen und achtlos neben sich geworfen. Unter den Kragen ihrer restlichen Pullis konnte ich wieder den Ansatz des Tattoos am Hals erkennen und fragte mich, was einen blinden Menschen dazu bewegen mochte, sich die Haut gravieren zu lassen. »Sie sind doch die Blindschleiche, die mir gestern die Tür vom Polizeirevier ins Gesicht gerammt hat?«, fragte er. »Frank?« Ich räusperte mich.
»Sie haben mich angerempelt und sich nicht mal umgedreht.«
Er wechselte die Spur. »Frank!«
»Als ob Sie keine Augen im Kopf hätten.« »Frahank!«
»Was?«, fragte er unwirsch. »Sie ist blind.«
»Erzähl keinen .« Er drehte sich hastig nach hinten um. »Echt?«
Wir nickten beide, und Alina öffnete die Augen. Zwei stumpf polierte Murmeln. Als wäre die Hornhaut durch eine Milchglasscheibe ersetzt worden. »Das ... das hab ich gar nicht gemerkt«, stotterte er. »Danke«, sagte Alina trocken.
Ich schaltete das Deckenlicht wieder aus, und eine Zeitlang war nichts zu hören außer dem monotonen Rauschen des Motors und dem Summen der Reifen auf dem nassen Asphalt, hin und wieder unterbrochen vom Quietschen des Scheibenwischers.
»Ich meine, jetzt, wo Sie es sagen, erinnere ich mich natürlich an Ihren Stock«, setzte Frank wieder an. Wir hatten den Ernst-Reuter-Platz hinter uns gelassen und fuhren die Straße des 17. Juni hinunter. »Mann, Sie waren so zielstrebig. Verdammt, ich habe Sie für eine Nordic-Walkerin gehalten, als Sie an mir vorbeigeprescht sind.« »Ich war wütend.« »Hat man gemerkt.«
»Wie machen Sie das nur?«, fragte er. »Gestern sind Sie die Treppen des Reviers runtergerannt, und heute klettern Sie ganz ohne Hilfe auf meine Rückbank.« »Ich bin blind, nicht querschnittsgelähmt.« Ein roter Fleck breitete sich auf Franks Wange aus, als wäre er geohrfeigt worden. »Sorry. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Tun Sie nicht. Jedenfalls nicht mehr als all die anderen.« In Alinas Stimme schwang eine leichte Verbitterung, die sie selbst zu bemerken schien. Im nächsten Satz schon war sie verflogen. »Machen Sie sich nichts draus. Ich habe ein Leben lang geübt, die Menschen zu verscheißern. Wenn ich zum Beispiel jemanden in einem Club aufreiße, schließe ich mit meinen Freundinnen immer Wetten ab, wie lange es dauert, bis der Neue merkt, dass ich blind bin.« Sie lachte. Franks Neugier schien geweckt. »Wissen Sie«, sagte er aufgeregt, »ich habe als Zivildienstleistender in einem Pflegeheim gearbeitet, da hat sich am Samstag immer eine Blindengruppe getroffen. Tut mir leid, wenn ich das so offen sage, aber im Gegensatz zu Ihnen sahen die irgendwie .« Ich merkte, dass er »blöd« sagen wollte, aber bevor ich mich wieder räuspern konnte, korrigierte er sich selbst. ». sahen die merkwürdig aus. Einige schaukelten mit dem Kopf, andere bohrten sich in den Augen. Und bei den meisten war das Gesicht starr wie eine Maske. Ich meine, die hatten gar keinen Ausdruck, wie nach einer Botoxspritze. Sie dagegen .«
»Was ist mit mir?« Sie stützte sich mit
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