Der Aurora Effekt
gelenkt wurde, war aber gleichzeitig froh darüber, dass jetzt irgendwas passierte. Mit dem Gedanken an seine Frau Isabel nahm er die Mappe in die Hand und begann, sich das Material anzusehen.
Nordöstlich von Anchorage in der Nähe der Ortschaft Gakona in Alaska, fernab jeglicher Besiedlung standen hunderte von Sendeantennen, die auf den ersten Blick wie gigantische Kreuze auf einem einsamen Friedhof wirkten, hieß es da unter einem Foto. Winter las, dass das so genannte HAARP-Projekt, offiziell hieß es High Frequency Active Auroral Research Project, aus unglaublichen 640 einzelnen solcher Sendemasten bestand, welche auf einem extra hierfür errichteten Militärstützpunkt seit 1993 in der Wildnis Alaskas zur wissenschaftlichen Untersuchung der oberen Atmosphäre, insbesondere der Ionosphäre, installiert wurden. Winter erfuhr auf einem anderen Zettel, das die teils zivil und teils militärisch unterstützte HAARP-Anlage der leistungs-stärkste Hochfrequenzsender war, der je von Menschenhand gebaut wurde.
»Schon irgendwie beeindruckend, was die Amis dahin gestellt haben«, sagte Winter erstaunt. »Aber wozu der ganze Aufwand?«
Angelique lächelte ihn an. »Nicht so ungeduldig, Herr Winter. Lies mal auf der nächsten Seite weiter, da findest du was dazu.«
Winter hatte wohlwollend wahrgenommen, das Angelique das Spiel weiterspielte, trotz des fachlichen Ge-sprächs, das sie hier gerade führten. Er musste sich ein Lächeln verkneifen.
Auf der nächsten Seite las Winter `was über so genannte ELF-Wellen, Atmosphärenkrümmung und Energieschleu-dern und driftete langsam immer mehr vom Verständnis her ab. Kurzerhand schob er die Mappe zu Angelique zurück. »Erklär du es mir bitte mal mit deinen eigenen Worten was hier steht, ich glaub, das ist doch eher dein Fachbereich.«
Angeliques Augen funkelten ihn an. »Sie machen sich das aber jetzt schon etwas sehr einfach, Herr Winter. Na gut, da ich heute meinen sozialen Tag hab, werde ich es dir mal erklären.« Angelique drehte eines der Blätter um und bat die gerade vorbeilaufende Bedienung um einen Stift. Mit einem etwas angekauten aber spitzen Bleistift begann sie, zu zeichnen.
»Dies ist die Erdatmosphäre. Troposphäre. Stratosphäre. Mesosphäre und dann die Ionosphäre.« Sie zog mehrere Linien auf das Papier.
»Die Ionosphäre beginnt ungefähr in einer Höhe von 80 km und geht dann in den interplanetaren Raum über. Spannend ist die Ionosphäre zum Beispiel für den Kurzwellenfunkverkehr. Diese erdumspannende, elektro-magnetische Schicht hat die Fähigkeit, elektromagnetische Wellen zu reflektieren, die Grundvoraussetzung für jeden Funkverkehr. Das HAARP-Projekt macht nun folgendes…« Angelique zeichnete unter diesen Linien die Erdoberfläche mit einzelnen Antennenkreuzen. »Von der Anlage wird ein von allen Antennen gebündelter Hochfrequenz-Strahl auf einen beliebigen Punkt in der Ionosphäre geschickt. Diese Fokussierung auf einen nahezu beliebig kleinen Punkt in der Ionosphäre wird durch die sequentielle, phasenverschobene Ansteuerung der einzelnen Sendeantennen ermöglicht.« Angelique zog von den einzelnen Kreuzantennen Striche, die sich alle an einem Punkt bündelten, um dann als eine große Linie weiter in Richtung Ionosphäre zu wandern.
»Wenn dieser Energiestrahl, und ich spreche hier von einer Strahlung im hohen Megawatt-, vielleicht sogar im Gigawattbereich, auf die Ionosphäre trifft, diese also quasi förmlich grillt, krümmen sich die Ionen und es wird eine extrem langwellige Strahlung zurückgeworfen. Leider habe ich keine genauen Angaben über die Sendeleistung der HAARP-Anlage gefunden.«
Angelique zeichnete einen kleinen Halbkreis in der Ionosphäre, der von der dicken geraden Linie getroffen wurde und dann eine im gleichen Winkel lang gewellte Linie abstrahlte, die wieder auf die Erde traf.
»Wie beim Billard. Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel, nur kommt die Strahlung dann als so genannte ELF-Welle zurück. Das ist eine Strahlung im extrem niedrigen Wellenbereich. Diese ELF-Welle gibt den Forschern dann detaillierte Auskunft über die Zusammen-setzung der Ionosphäre.«
Winter schaute fasziniert auf das Blatt Papier und in seinem Kopf begann es zu arbeiten.
Angelique begann nun ein paar wolkenförmige Gebilde über den Funkantennen zu zeichnen. »Das hier sind künstliche Polarlichter, die beim Betrieb der HAARP-Anlage entstehen. Dieser so genannte Aurora Effekt entsteht durch die extreme Aufladung der
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