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Der Aurora Effekt

Titel: Der Aurora Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wolf
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kurzen Moment wässrig. Gefasst sagte er weiter: »Dann war es nur noch eine Frage von Tagen, erst der Wagen, dann die Wohnung und schließlich noch dieser verfluchte Job. Meine Freundin war da schon längst über alle Berge. Ist gleich mit einem Kollegen von mir durchgebrannt. Weißt du, Mark, die warten um dich herum quasi nur drauf, dass du strauchelst, um dir dann ein Messer tief in den Rücken zu stossen und dann genüsslich in der Wunde umzudrehen. That`s business.«
    Winter hörte Schneider schweigend zu und klammerte sich an seinen gerade von der Bedienung neu gebrachten Martini.
    Schneiders Gesichtszüge spannten sich an und er blickte Winter direkt in die Augen. »Weißt du Mark, ich bin an dem Abend, als die mich da rausgeworfen haben, noch mal zurück in die Bank. Hatte ja noch meinen Ausweis nicht abgegeben. Ich bin in den Aufzug und dann hoch in den 36. Stock und dann rauf aufs Dach. Mark, ich hab da nachts oben gestanden, ich ganz alleine. Ich hab mir die Schuhe ausgezogen und bin barfuß an den Rand. Fühlte mich frei wie ein Vogel.« Schneider liefen jetzt Tränen herunter und Winter verkrampfte sich der Magen.
    Schneider schluckte und sagte mit belegter Stimme: »Es war herrlich, rundherum die atemberaubenden farbigen Lichter der angestrahlten Wolkenkratzer des Bankenviertels, über mir die Scheinwerfer der sich auf den Fraport im Landeanflug befindlichen Flugzeuge und dann diese Stille. Diese wunderschöne Stille. Nur der Wind, dieser kräftige frische Wind und ganz weit unter mir, wie Ameisen, die wenigen Menschen, die sich um diese Uhrzeit noch wie gehetzt durch das Bankenviertel bewegten. Ganz weit weg von mir. Ich breitete meine Hände aus, habe meine Augen geschlossen und geatmet. Nichts anderes, nur tief ein- und ausgeatmet. Diese klare Frische. Keine Ahnung, wie lange ich da so stand und das in mich eingesaugt habe. Alle meine Sinne waren so geschärft wie schon lange nicht mehr. Ein unbeschreibliches Gefühl, Mark. Nichts ist wichtig, dafür ist die Welt zu groß. Ich bin nicht wichtig. Das waren meine Gedanken, als ich dort oben stand und, Mark, weißt du, warum ich es nicht getan habe?« Schneider machte eine kurze Pause und stürzte den Rest seines Martinis herunter. »Weil ich eine Scheißangst hatte. Immer diese Angst, wieder von der Realität eingeholt zu werden, zu versagen.«
    Winter sah ihn in Gedanken versunken an und zuckte mit den Schultern. Schneider tat ihm leid. Aber ein anderer Gedanke machte ihm zu schaffen. Frank Stein ist kein Selbstmörder, schoss es ihm durch den Kopf. Nein, es musste irgendetwas anders passiert sein.
    »Entschuldige mich bitte kurz.« Schneider stand auf und verschwand in Richtung Toilette.
    Winter nahm dieses Gespräch nur wie durch einen dichten Schleier wahr, fühlte sich aber nicht in der Lage, seinem Schulfreund jetzt tröstende Worte zu spenden. Vielmehr packte ihn eine innere Unruhe. Frank Stein ist kein Selbstmörder. Er ist nicht der Typ dafür. Ganz und gar nicht. Was passierte hier? Was wollte Stein ihm unbedingt so dringendes sagen?
    Fünf Minuten später kam Schneider sichtlich entspannt zurück und Winter sagte ihm, dass er gerne zahlen würde.
    »Kommt nicht in Frage guter Freund, das geht auf meine Kappe.« Schneider kramte einen Fünfzigeuroschein aus seiner Tasche und legte ihn vor sich auf den Tisch.
    »O.K., aber das nächste mal bin ich an der Reihe«, setzte Winter ein etwas misslungenes Lächeln auf. Dann sah er, wie der Fünfziger sich kräuselte und auf dem Tisch leicht wieder zusammenrollte und sich Spuren weißen Pulvers auf der dunklen Tischplatte absetzten. Winter wollte nur noch weg. Rasch verabschiedete er sich von seinem Freund in der festen Beteuerung, sich bald wieder zu einem Bierchen zu treffen, wobei Winter schon jetzt wusste, dass es ein solches Treffen vorerst wohl nicht geben würde. Er hatte eigene Probleme und die wurden anscheinend gerade von Stunde zu Stunde immer größer. Schniefend verabschiedete sich Schneider von Winter und sie verließen das Lokal. Winter hatte keine Ahnung, wie groß seine Probleme da bereits wirklich waren.
     
    Auf der Strasse schaute Winter kurz Schneider hinterher und dann auf seine Armbanduhr, 23.10 Uhr erkannte er im Halbdunkeln einer nahen Laterne auf seinem Zifferblatt. Frank Stein, schoss es ihm durch den Kopf. Genau dahin würde er jetzt fahren. Gerade als er die Strasse zum nahe liegenden Taxistand überqueren wollte, hörte er ein aufheulendes Motorengeräusch und er hielt

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