Der Ausflug
empfand sie tiefe Abneigung gegen ihn. »Deine Art der Argumentation ist nicht sonderlich erhebend, finde ich.«
Er reagierte nicht.
Sie betrachtete sein unnahbares Profil. »Ich bitte dich, Leander!«
Er schwieg weiterhin.
»Lass uns doch nicht wegen nichts und wieder nichts so dumm zanken.«
Er zuckte nicht mit der Wimper.
»Jetzt sag doch was! Erst quatschst du mir die Ohren voll, und dann hältst du plötzlich den Mund.«
»Ich habe gesagt, was ich sagen wollte.«
Den größten Teil der Fahrt wurde kein Wort mehr gewechselt. Beatrijs versuchte, ihre kreiselnden Gedanken in den Griff zu bekommen. Wenn diese blöden Krücken nicht wären, hätte sie Leander anhalten lassen und wäre ausgestiegen. Hilfe suchend blickte sie auf die vorüberziehenden winterlichen Äcker. Hier würde sie nicht so schnell ein Taxi finden. Gleich darauf erschrak sie über sich selbst. Sie waren noch keinen halben Tag zusammen, und sie wollte schon weg? Das konnte doch nicht wahr sein. Sie war durch das lange Liegen nur ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten, sie war nicht mehr an intensiven menschlichen Umgang gewöhnt, und sie hatte zu hohe Erwartungen mit ihrer Heimkehr verbunden. Morgen würden sie zusammen darüber lachen.
Während des letzten Stücks am Kanal entlang schien Leander ein wenig aufzutauen. Er kommentierte die Umgebung, das Wetter, die Beschaffenheit der Straße. Obwohl sie froh war, dass die würgende Stille endlich durchbrochen war, kam es ihr vor, als steckte eine kalte Scherbe in ihrem Herzen.
Auf dem vorderen Hof der Imkerei stand ein roter Kombi mit fröhlichen bunten Aufklebern auf der Heckscheibe. Im selben Moment, als sie das Auto erkannte, sagte Leander mit tonloser Stimme: »Dein Freund Laurens ist allem Anschein nach auch da. Wie kann er nur!« Er drehte den Zündschlüssel um und schlug die Arme übereinander.
»Erstaunlich, dass du sein Auto erkennst«, sagte sie, schlagartig wieder gespannt wie eine Feder.
»Ja, der hat gestern Abend direkt vor unserer Haustür gestanden, während Laurens mir auf der Eingangstreppe auflauerte. Er ist mir auf den Leib gerückt, als ich aus der Klinik zurückkam.«
Nach einem Moment sagte sie flach: »Wirklich? Und das erzählst du jetzt erst?«
»Ist doch nicht weiter wichtig. Ich habe ihn abgewimmelt.«
»Und nur, weil er hofft, dass du ihn doch noch anhörst«, sie konnte sich die Worte einfach nicht verkneifen, »taucht er jetzt wieder hier auf? Leander, er wusste nicht mal, dass wir heute auch nur in der Nähe sein würden. Das wussten wir vor zwei Stunden selbst noch nicht.«
»Nein, aber er wusste schon, dass Yaja hier übernachtet. Das habe ich ihm gestern selbst erzählt.«
Sie war ratlos. Mein Gott, dass Laurens ernsthaft hinter Yaja her sein sollte, war noch um einiges ungereimter, als dass er etwas von Leander wollte! Das sah doch schon ein Kleinkind!
Aber Leander offenbar nicht, denn er sagte: »Na gut, er hier, das ist ein Grund mehr, Yaja mit nach Hause zu nehmen.«
Wie kam er nur auf solche paranoiden Ideen? Das machte ihr richtig Angst. Wenn Menschen zwanghaft dachten, sie oder die Ihren würden verfolgt, was stimmte dann nicht mit ihnen?
Aber manche Fragen konnte man nicht stellen, ohne damit das eigene Glück zu untergraben. Sie meinte fast, Veronicas Stimme wieder zu hören, wie sie das damals gesagt hatte. Der Schweiß brach ihr aus, und um sich selbst einen Riegel vorzuschieben, klammerte sie sich kurz am Bild ihrer Freundin fest, das wie eine sichere und vertraute Bake vor ihr aufstieg. Es war bei jenem Mal kurz vor ihrem Tod gewesen, als Veronica ihr von Laurens’ unerwartet heftiger Reaktion auf ihre Eskapadeerzählt hatte. »Er hört nicht auf, Dinge zu fragen, über die er besser gar nichts weiß.« Davon ausgehend, dass er genauso über die Absurdität der Situation lachen würde wie sie, hatte sie ihm einfach alles erzählt. Dumm. Aber da sah man mal wieder: Man glaubte jemanden in- und auswendig zu kennen, aber dann kamen nach all den Jahren doch noch unerwartete Züge ans Licht. Und was machte man dann? Wie bekam man den Geist je wieder in die Flasche zurück? Wie übersah man am anderen dasjenige, was man lieber nicht sehen wollte? »Konzentrier dich mal eine Weile auf seine guten Seiten, und achte nicht so sehr auf den Rest«, hatte sie Veronica geraten. Und Veronica hatte niedergeschlagen geantwortet: »Das gelingt mir nie, dafür bin ich viel zu bissig. Das ist eher was für dich. Du hast nun mal die Gabe, Menschen zu
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