Der Ausflug
bewundern.«
Neben ihr sagte Leander: »Ich hätte ihn gestern viel härter anfassen müssen, diesen elenden Stalker.« Er stieg aus und ging um den Wagen herum. Auf ihrer Seite wartete er, während sie mit ihren Krücken herumstümperte.
Ihr Knie tat bestimmt weh, nachdem es so lange in der gleichen Position gewesen war, doch das wurde ihr kaum bewusst. Die Gabe, Menschen zu bewundern, hatte Veronica es genannt. Viele andere Gaben und Talente, die ihr Freude machten, besaß sie nun auch wieder nicht. Mit dem unbestimmten Gefühl, dass ihr etwas genommen worden war, zog sie sich aus dem Autositz heraus und zuckelte hinter Leander her zur Imkerei.
In Tante Gwens Küche herrschte wie immer ein Heidendurcheinander, aber man konnte mit eigenen Augen sehen, dass die Dinge es ganz gemütlich fanden, wie sie so dalagen. Wie sollte eine Socke sonst je in eine Obstschale gelangen oder ein Stück Käse mit einem schiefen Messer darin in einen umgedrehten Seiher?
Niels stellte sich vor, dass alle Gegenstände einander nachts, wenn die Menschen schliefen, aufgeregt von ihren Abenteuern erzählten. Was ich heute wieder erlebt habe, bester Kochlöffel! Ach Gottchen, Frau Topflappen, und ich erst! Wenn er ein Ding wäre, würde er auch gern hier liegen oder, was auch schön wäre, in einem Geschenkprospekt für Weihnachten stehen, zwischen blinkenden Dinky Toys, die nur dazu da waren, jemandem eine Freude zu bereiten.
Das waren schöne Gedanken, doch nach einer Weile bekam er das Gefühl, dass er diese verrückten Einfälle nur hatte, um an gewisse andere Dinge nicht denken zu müssen. Es war gerade so, als schriebe in seinem Kopf ein kleines Männchen aus Leibeskräften fröhliche Briefe an ihn, nur um ihn abzulenken. Trotz der vertrauten Unordnung war die Atmosphäre im Haus nämlich anders als sonst. Schwerer. Fremder. Babette lag oben in ihrer Wiege und war in Sicherheit, daran konnte es also nicht liegen. Und trotzdem kam es ihm vor, als lauere in einer der dunklen, unordentlichen Ecken etwas Unbenennbares, bereit zuzuschlagen, bereit, etwas zu Ende zu führen, was einst, vielleicht aus Versehen, in Gang gesetzt worden war. Aber zeichneten sich Unglück und Unheil nicht gerade dadurch aus, dass man sie nicht vorhersah?
Neben ihm schlürfte Toby konzentriert seinen Kakao, aber Niels sah es schon kommen, dass sich sein kleiner Bruder jeden Augenblick wieder langweilen würde. Draußen hatte er es auch schon nicht lange ausgehalten. Dabei war es doch gerade so toll gewesen auf der Bienenweide, wo man sonst nie hindurfte. Jeder war eifrig damit beschäftigt gewesen, alles Mögliche abzureißen und wegzuschaffen. Er hatte eine Zeit lang wie wild mitgearbeitet, um den Schnallen mal so richtig zu zeigen, dass er seinen Mann stehen konnte. Aber als Toby, der für alles noch viel zu kurze Arme hatte, der Rotz aus der Nase gelaufen war, hatte seine Tante gesagt: »Geh mal ebenmit ihm rein, zu Papa und Timo, damit er etwas Warmes trinken kann.«
Und da saßen sie nun, meilenweit vom Geschehen entfernt. Wenn Toby je das Glück haben sollte, ein Ding zu werden, was für ein Ding würde er dann wohl sein? Etwas Kleines und Dummes natürlich. Das Stöckchen von einem Lutscheis zum Beispiel. Und wetten, dass der Zwerg gleich denken würde, er sei von einem Magnum? Vor Ärger gab er ihm einen Rippenstoß.
Bei dem Gebrüll seines Bruders sah ihr Vater von den großen Mappen auf, über die Onkel Timo und er sich auf der anderen Seite des Küchentischs gebeugt hatten. Er schob seine Lesebrille auf seine Stirn hoch. »Niels, wenn du unbedingt stänkern willst, dann mach das bitte woanders.«
»Äh, Laurens, entschuldige, aber wieso soll ausgerechnet das hier genau stimmen?« Onkel Timo tippte mit dem Finger auf eine der Zahlenreihen.
»Das ist die Abrechnung vom Laden. Bei Bobbie stimmt es immer auf den Cent genau.«
Hinter vorgehaltener Hand sagte Niels zu Toby: »Aus dir
wird das mickrige Stöckchen von einem Lutscheis.«
Sein Bruder war nicht damit einverstanden. Wütend begann er ihn mit seinen kleinen Fäusten zu traktieren. »Niels! Toby!«
Auch Onkel Timo lehnte sich jetzt kurz auf seinem Stuhl zurück. »Yaja ist oben, Jungs. Warum unternehmt ihr nicht etwas mit ihr zusammen?«
Niels holte tief Luft und hörte auf, Tobys Schläge abzuwehren. »Ist Yaja denn hier?«
»Ja, sie übernachtet bei uns.« Onkel Timo schaute wieder auf die Mappe voller Zahlen.
Vielleicht war das das Bedrohliche, das er gerade gespürt hatte: Yaja
Weitere Kostenlose Bücher