Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
Vom Netzwerk:
Asche. »So. Da wären wir wieder. Was guckst du denn so?«
    Die Erkenntnis traf sie mit der Wucht eines Betonblocks: Wenn sie sich in den vergangenen Monaten nach ihrem normalen Leben gesehnt hatte, dann hatte sie dabei immer ihr altes Appartement vor Augen gehabt. Die glänzend polierten antiken Möbel, die bunten Kissen und Decken, das überreichlich bestückte Bücherregal, ihre Alice-im-Wunderland-Sammlung hinter den Kristallglasscheiben der Vitrine.
    »Ich habe dich etwas gefragt, Beatrijs. Ist irgendwas?«
    Ausweichend sagte sie: »Komisch, wie man alles mit ganz
    neuen Augen betrachtet, wenn man eine Weile weg war.« »Ja, das hat eine erfrischende Wirkung. Da lernt man seine
    Umgebung wieder umso mehr schätzen, nicht wahr?« »Nein«, entfuhr es ihr unwillkürlich. »Das finde ich nicht.« »Aber es ist so.«
    »Das findest du vielleicht, aber ich deswegen noch lange nicht.«
    Ungläubig sah er sie an. »Es ist so, habe ich gerade gesagt. Aber lass uns das beenden. Was sind deine Wünsche für heute?«
    Sie dachte: Neue Tapeten. Ein Fleur-de-Lys-Muster zum Beispiel mit hübscher kontrastierender Blende. Ihr Leben lang hatte sie sich mit sorgfältig und bedachtsam ausgewählten Dingen umgeben. Schönheit machte etwas mit der Seele, sie hatte etwas Erhebendes. Ein bisschen Stil, ein bisschen Format... Bewies man damit nicht letztendlich, dass man das Dasein dankbar annahm?
    »Möchtest du dich ausruhen, oder hast du gerade davon allmählich genug? Du brauchst es nur zu sagen, Göttin.«
    Mit einem Mal fürchtete sie, gleich in Tränen auszubrechen. »Lass mich mal eben. Ich weiß selbst nicht, was mit mir ist. Irgendwie ist das alles ein leichter Dämpfer.«
    Er sah sie verletzt an. Dann erhob er sich und verließ den Raum.
    Schlagartig wich ihre weinerliche Stimmung handfester Verärgerung. Sie dachte nicht dran, ihm nachzulaufen. Sie trank ihren Kaffee. Er hätte ruhig ein paar Kekse oder so etwas dazu besorgen können. Und Blumen hinstellen. So eine große Kunst war es nun auch wieder nicht, das Leben ein wenig zu verschönern. Sie ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Vielleicht konnte sie Frank fragen, ob sie nicht doch den Nussbaumsekretär haben durfte. Wenn sie den hier an dieQuerseite stellte und diese ollen Kordsessel rausschmiss ... Das Telefon klingelte, und sie griff zu ihren Krücken. Aber als sie sich gerade erhoben hatte, hörte sie, dass Leander schon in seinem Arbeitszimmer abnahm.
    Da sie nun ohnehin stand, ging sie ein wenig umher. Sie hatte das Bedürfnis, Gegenstände zu berühren und umzustellen, den Dingen ihren Stempel aufzudrücken: Ich bin wieder da.
    Leander kam herein. »Das war Yaja.«
    »Ach.« Sie setzte eine neutrale Miene auf. Nicht urteilen, Beatrijs. Denn du weißt, Göttin, wenn du urteilst, legst du alles fest. Und so war es doch auch, oder? Sie war das in den letzten acht Wochen nur nicht mehr gewöhnt gewesen. Dreiundzwanzig Stunden am Tag ohne ihn. Dreiundzwanzig Stunden Zeit, den Tonarm auf der Schallplatte des Lebens in die alte, verabscheuenswerte Rille zurückfallen zu lassen.
    »Ob ich sie abhole. Sie fühlt sich überhaupt nicht wohl bei Gwen.«
    »Warte doch erst mal ab. In einer Stunde ist sie bestimmt wieder bester Laune.«
    »Das sollte ich dann also rasch machen.«
    »Rasch? Es sind anderthalb Stunden Fahrt! Und du hast am Steuer schon nach zehn Minuten genug vom Autofahren. Kann sie nicht mit dem Zug kommen?« Sofort bedauerte sie ihre Worte. Damit segnete sie Yajas Kommen gleichsam ab.
    »Wenn ich sie abhole, kann ich noch kurz mit Gwen reden. Das scheint mir besser zu sein, als Yaja mit Wut im Bauch auf eigene Faust von dannen ziehen zu lassen.«
    Das war lieb und aufmerksam von ihm. Sie konnte nichts dagegen einwenden. Außer, dass sie es ihr selbst gegenüber nicht sonderlich herzlich fand, wenn er am Tag ihrer Heimkehr unbedingt den Taxichauffeur für seine Tochter spielen musste. Doch wenn sie diesen Gedanken aussprach, würde sie nur einenkindischen, egogetriebenen, emotionalen Eindruck machen. »Ich komme mit«, sagte sie. Sie überraschte sich selbst.
    »Hältst du das für vernünftig? Du musst dich ein bisschen schonen.«
    Eigentlich war das eine großartige Idee. Alles war besser, als miesepetrig hier herumzusitzen und diese Kordsessel anzustarren. Bei Gwen und Timo war es bestimmt gemütlich. Auf einmal hatte sie es eilig, wegzukommen. Ihre Taschen packte sie dann später aus, deren Inhalt hatte ihr in den vergangenen Monaten ohnehin schon

Weitere Kostenlose Bücher