Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
Vom Netzwerk:
irgendwie betroffen. Sie wandte sich ab.
    Marleen stieß ihn gegen die Schulter. »Kommst du heute noch mal in die Gänge, du Weichei?«
    Sofort spuckte er sich in die Hände, rannte zum Rand der Weide und fing an, Bretter zu schleppen.
    Laurens setzte die Brille ab und rieb sich die Augen. »Es wird natürlich stark davon abhängen, wie schnell du im nächsten Frühjahr mit neuen Bienen ernten kannst«, sagte er, »aber der Betrieb ist im Großen und Ganzen immer so ordentlich gelaufen, dass ein Überbrückungskredit kein Problem sein dürfte. Und die verseuchten Kästen, die jetzt vernichtet werden müssen, waren den Büchern zufolge ohnehin schon abgeschrieben. Du musst das einfach als Durchstart sehen.« Er hob den Kopf. Hatte Toby oben einen ängstlichen Schrei ausgestoßen? Aber es war schon wieder still.
    »Durchstart? Das sagt mir nichts«, sagte Timo. Er schenkte sich noch einmal Kaffee ein.
    »So nennt man das heutzutage, wenn man aus einem Tief wieder aufsteigt.«
    »Und du glaubst allen Ernstes, dass das möglich ist?«
    »Ich würde auf jeden Fall den Versuch wagen, wenn ich du wäre. Und wieder einen vernünftigen Steuerberater nehmen. Der zahlt sich mit Sicherheit aus.« Er lächelte ermutigend und hoffte, dass er es richtig sah. Wenn man jemandem das Beste wünschte, trübte das manchmal das Urteilsvermögen.
    Timo streckte die Beine aus. »Junge, was für eine Erleichterung. Wie soll ich dir je...« Es klopfte an der Küchentür,und er drehte sich um. Auch Laurens blickte über die Schulter hinter sich.
    »Beatrijs!«, entfuhr es Timo, und er errötete vor Freude. »Hallo, Timo«, sagte Beatrijs in der Türöffnung. Leander stand neben ihr.
    Timo sprang auf, lief zu ihr und umarmte sie. »Meine Güte, haben sie dich endlich gehen lassen? Wie fühlt es sich an, wieder auf eigenen Beinen?«
    »Noch ziemlich wacklig.« Umsichtig mit ihren Krücken manövrierend, kam sie weiter in die Küche herein, sichtlich angespannt und unsicher. »Tag, Laurens. Du auch hier?«
    Er war völlig überrumpelt. Automatisch zog er einen Stuhl für sie vom Tisch zurück. »Du bist mir eine. Konntest es wohl nicht lassen, uns gleich deine Künste vorzuführen!«
    Sie lachte nervös und setzte sich. »Es ist noch alles sehr ungewohnt. Puh, gut, dass ich wieder sitze.«
    »Brauchst du nicht irgendeine Stütze für das Bein?«, fragte er, weil er nicht wusste, wie er Leander begrüßten sollte, der mit langsamen Schritten näher kam. Er fürchtete, irgendetwas total Schwachsinniges zu sagen, sowie er den Mund aufmachte. Andererseits, was konnte er schon Schwachsinnigeres hervorbringen als: Du hattest in gewissem Sinne schon Recht, als du sagtest, ich dächte nur an mich selbst.
    »Ich gehe Gwen holen«, sagte Timo. »Die wird sich aber freuen, dich zu sehen, Beatrijs.« Um das Gesagte auch gleich in die Tat umzusetzen, schob er sich an Leander vorbei aus der Küche. Damit war Timo schon mal aus den Schneider.
    Es trat eine kurze Stille ein. Danach sagte Leander: »Scherz beiseite, Laurens. Wir sind hier, um Yaja abzuholen.« Er stand an der Arbeitsplatte und studierte seine Hände.
    »Das ist schön«, sagte Laurens, während er sich erhob. »Aber da ihr nun schon hier seid, würde Bobbie es, glaube ich, auch nett finden, Beatrijs noch kurz zu sprechen.«
    Mit dem Gefühl, das größte Arschloch der Welt zu sein, ging er innen hindurch zum Laden. Die funzelige Birne, unter der er Leander vor Monaten zum ersten Mal angesprochen hatte, baumelte noch immer genauso bedenklich an ihrem Kabel wie damals. Hier hatten sie gestanden und geredet. Und es hatte alles zu nichts geführt. Wieso kam er sich dann eigentlich wie ein Arschloch vor? Weil es letztlich komischerweise sehr wohl zu etwas geführt hatte und er einfach nicht den Großmut besaß, das auch offen anzuerkennen?
    Noch mit sich ringend, öffnete er die Tür zum Laden.
    Bobbie saß hinter dem Ladentisch und schlief. Ihr Kopf hing zur Seite, und sie schnarchte leise. Nach ihrem Block zu urteilen, hatte sie heute noch keine Kunden gehabt.
    Er berührte sie an der Schulter.
    Sie fuhr hoch. »He, Laurens«, sagte sie, gleich vollkommen munter. »Was machst du denn für ein bedrücktes Gesicht?«
    »Sag mal ehrlich: Bin ich ein Arschloch?«
    Sie lachte. »Eher selten.«
    »Na, da kann ich ja schon froh sein. Hör mal, Beatrijs ist gerade gekommen. Du möchtest sie doch bestimmt sehen.«
    »O ja, gern. Aber dann musst du kurz auf den Laden aufpassen.«
    Das war eine prima Lösung.

Weitere Kostenlose Bücher