Der Ausflug
Kastanienbaum zusammengestanden: Das war die Versinnbildlichung des Picknicks gewesen. Klaar und Karianne waren in wütende Tränen ausgebrochen, als man sie, nachdem Yaja abgezogen war, mit Bobbie zusammen nach Hause geschickt hatte: So hatte es sich schließlich abgespielt, zuerst war Yaja weggegangen, dann sie. Plärrend vor Entrüstung hatten sie dann aus kurzer Entfernung zugeschaut, wie Beatrijs im Stehen tat, als schlafe sie, und wie Laurens mit den Händen in den Taschen im nassen Gras umherschlenderte. Timo und ihre Schwestern hatten ein Stückweiter weg am Wasser auf ihrem Posten gestanden. Sie selbst, die gemäß Szenarium schon mit Leander zum Teich spaziert war, hatte ihre furchtbare Eingebung bekommen, als sie wegen des Gebrülls der Kleinen noch kurz über ihre Schulter zurückgeschaut und Bobbie mit ratlosem Blick zwischen ihren weinenden Töchtern hatte stehen sehen. Ihre Augen hatten sich an ihr festgesogen. Bobbie war rot geworden und ihrem Blick gleich verschreckt ausgewichen. Unser Halt und Beistand, sagte Timo immer, unsere unentbehrliche zweite Mutter. Ihr waren die Knie weich geworden. Aber natürlich! Hier endete der ganze Albtraum! Bobbie hatte sich natürlich nicht getraut, es zuzugeben, weil alle so außer sich gewesen waren, sie musste zu Tode erschrocken sein, was sie da angerichtet hatte, der Aufruhr, dazu die Polizei, alle in Tränen aufgelöst... Klar, dass sie sich da nicht mehr getraut hatte zu sagen, es sei nur für ganz kurz gewesen, nur für eine Nacht. Sie war auf Bobbie zugerannt. »Du hast sie mitgenommen!«
Bobbie stand da wie am Boden festgenagelt. Ihre regennassen Haare klebten ihr am Gesicht fest.
Sie trat näher, mechanisch die Fäuste ballend. Hinter ihr rief der Polizist etwas. Sie ignorierte ihn und hielt die Augen fest auf ihre Schwägerin gerichtet. »Du bist es gewesen! Gib ruhig zu, dass du...«
Bobbie zitterte am ganzen Leib. »Wirf mich ruhig ins Gefängnis, Gwen«, stieß sie hervor. »Es ist alles meine Schuld. Ich hätte sie natürlich mit nach Hause nehmen müssen.«
Sie fasste Bobbie in die nassen Haare. »Wo ist sie? Wo ist sie? Im Sommerhaus, ja?« Und sogleich schrie sie ihren verstörten Töchtern zu: »Bobbie hatte sie doch bei sich, oder? Wo hat sie sie gelassen?«
Einträchtig fingen die Mädchen gleichzeitig noch lauter an zu weinen.
»Na los, sag schon, hat...«
»Schluss jetzt, Gwen!« Laurens legte ihr den Arm um die Schultern. Sie versuchte, ihn abzuschütteln. Sie musste zum Sommerhaus. Sie musste zu Babette.
»Ich weiß es nicht mehr, Mama!«, brüllte Klaar, kreidebleich unter ihren Sommersprossen.
»Ich auch nicht, Mama!«, schluchzte Karianne, mit vom Weinen ganz verzerrtem Gesicht.
Mein Gott, wie sollten sich die beiden auch an den Hergang erinnern? Über die Hälfte der Zeit war Bobbie schließlich mit Babette im Tragesack herumparadiert! Sie stieß ihren Ellbogen in Laurens’ Seite, entwand sich ihm und rannte mit ausgestreckten Armen los.
Der Polizeibeamte schnitt ihr den Weg ab. Neben ihm tauchte Leander auf, wie ein Riese, in den Augen so viel Mitleid, dass ihr trotz allem kurz der Atem stockte. »Tu dir das nicht an«, sagte er so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob er es wirklich gesagt hatte. Doch der Griff, mit dem er sie festhielt, war umso realer.
Während seine Arme sie umklammert hielten, nahm sie Timo wahr, der wie in Zeitlupe auf sie zugerannt kam. Ihr Blick wurde allmählich wieder so klar, dass sie sogar sah, wie das Wasser unter seinen Füßen aus dem Gras aufspritzte. Mit einem Schaudern dachte sie: Gestern Yaja, heute Bobbie, Gott steh mir bei, wem geh ich als Nächstes ans Leder? Beatrijs etwa, die nach ihrer letzten Fehlgeburt sagte, dass sie mir mein nächstes Baby klauen würde? Ermattet lehnte sie sich bei Leander an.
Wenn Babette jetzt nur irgendwo in Sicherheit war. Wenn sie nur jemanden hatte, der sie beizeiten fütterte und ihr die Windeln wechselte.
Sie wurde in Timos Arme übergeführt. Sein Herz klopfte so heftig, dass sie es noch an ihrer eigenen Brust spürte. Er sagte etwas, was sie nicht verstand, er wiederholte es drei-, viermal,aber es erreichte sie nicht. Wenn sie doch wenigstens kurz ausruhen und zu Atem kommen könnte. Sie sah Marleen und Marise da stehen, die Hände vor den Mund geschlagen. Womöglich waren sie die Nächsten, die gekidnappt wurden. Sie musste mit Timo besprechen, was sie für die Sicherheit ihrer Töchter tun konnten. Allein zur Schule radeln, mit ihrem
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