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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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dann stellte sich heraus, dass der Entführer doch jemand anderer war als der, den Herr Croiset in seinem Kaffeesatz gesehen hatte.« Der Einzige, der ihre kleine Babette noch täglich sah , mitsamt den Grübchen in ihren Wangen und dem blonden Flaum auf ihrem Köpfchen, wurde von so einem Beamten einfach in die Ecke gestellt! Leander war der Einzige, auf den sie sich noch verlassen konnte.
    »Gwen, hier, guck doch mal.« Bobbie war in die Hocke gegangen und zeigte auf etwas.
    Gwen dachte: Gut, dass mir diese Hanswürste von der Polizeikeine Vorschriften machen können, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Sie ließ sich ebenfalls nieder.
    Zwischen den knorrigen Wurzeln der Kastanie war ein Streifen Erde von Gras und Unkraut befreit. Und in dem sorgfältig festgestampften Boden schimmerte Babettes Name auf, in gelben, glänzenden Körnern.
    Gwen spürte den erwartungsvollen Blick ihrer Schwägerin auf sich ruhen. Sie zwang sich zur Selbstbeherrschung. Natürlich war das hier nicht als Ersatzgrab gedacht. Sie konzentrierte sich besser auf die Liebe, die hier hineingesteckt worden war. Auf die Mühe, die Bobbie hierauf verwendet hatte. Auf das Herzblut, das es sie gekostet haben musste, den Laden, ihren geliebten Laden, zu schließen, und das wahrscheinlich schon früh am Morgen. In ihrem Kittel hatte sie zwischen den Baumwurzeln gekniet und abgewogen: Hier? Nein, dort! Und gewiss hatte sie eine ganze Theorie darüber entwickelt, warum es genau so aussehen sollte. Bobbie mit ihrer Logik, der man nie ganz folgen konnte, rein verstandesmäßig jedenfalls nicht.
    »Wie schön«, sagte sie leise. »Vielen Dank.«
    »Ich wusste, dass du es gleich begreifen würdest. Wenn Babettes Flugzeug über diese Stelle hinwegfliegt, sieht sie hier unten ihren Namen.«
    So unwahrscheinlich es auch war, dass Babette jetzt, nach gut sieben Wochen, über ihren Kopf hinwegfliegen würde, wurde Gwen doch warm bei dem Gedanken an ihre Tochter in einem Flugzeug. Babette in einem Flugzeug, das war ein seltsam tröstliches Bild, verglichen mit anderen, die ihr fortwährend im Kopf herumspukten. In Flugzeugen war es sauber und trocken und warm, und die Stewardessen waren immer so freundlich. Vielleicht würde sogar eine von ihnen Lunte riechen und denken: Gehört das hübsche Baby denn überhaupt zu dieser komischen...
    »Nur kann sie noch nicht lesen!« Bobbie lachte schlau. »Deswegen das Band, Gwen, klar! Rot und Weiß sind schließlich meine Farben! Also wenn sie das Band sieht, denkt sie gleich...« Sie errötete und begann sich nervös die Hände zu reiben.
    Was war jetzt los? Fiel ihr plötzlich ein, dass sie vielleicht besser etwas von Babettes Mutter an den Baum hätte binden können? »Ja, und dann denkt sie natürlich gleich an dich«, sagte Gwen großmütig, »und dadurch wird ihr klar, dass sie hier zu Hause ist, bei uns allen, und dann...«
    »...dann denkt sie an ihre dumme Tante, die so dumm war, sie hier liegen zu lassen!«
    »Ach, Bobbie. Nicht doch. Wir sind alle gleich dumm gewesen. Alle genau gleich dumm.« Sie wollte nach Hause. Sie wollte ins Bett.
    Bobbie weinte, lautlos, den Mund weit geöffnet.
    Mit dem Handrücken strich Gwen ihr kurz über die Wange. »He, du verrücktes Huhn. Wir sind alle gleich dumm gewesen. Schreib dir das hinter die Ohren, ja?«
    Immer noch weinend fuhr sich Bobbie mit den Händen an die Ohren und befühlte sie umständlich, während sie mit einem sonderbaren Blick vor sich hinstarrte.
    Todmüde erhob sich Gwen, stockte jedoch mitten in der Bewegung. Diese glänzenden Körner in der Erde, die Babettes Namen bildeten: Jetzt sah sie es erst. »Die Vögel«, sagte sie entsetzt, »Bobbie, die Vögel werden...«
    Mit einem Schnarchlaut zog ihre Schwägerin die Nase hoch. »Aber das muss doch auch so sein! Die Vögel müssen die Körner auffressen, denn sie kommen schließlich überallhin, und wie sollen wir ihnen sonst erklären, dass sie nach Babette Ausschau halten sollen?«
    Mit seiner Aktentasche und zwei Plastiktüten vom Indonesier bugsierend, stemmte sich Laurens gegen die Haustür. Was warnur mit dem Schloss der Eingangstür passiert, dass es sich plötzlich so schwer öffnen ließ? Er hatte sich schon seit Wochen vorgenommen, Grafit hineinzusprühen, vergaß es aber jedes Mal, sowie er drinnen war. Er liebte dieses Haus von ganzem Herzen, die geräumigen, ineinander übergehenden Zimmer, die alten Parkettfußböden, die Küche mit dem daran angrenzenden Gartenzimmer, aber es verlangte einem

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