Der Ausflug
gesagt? Hoffnung ist das Federding, das in der Seele sitzt. Dabei fiel ihr ein, dass sie gestern Abend gar nicht daran gedacht hatte, Laurens anzurufen. Oder hatte sie es nicht gewagt, weil sie ihrKind wieder und er seine Frau für immer verloren hatte? Als wenn er es ihr und Timo missgönnen würde! So war er überhaupt nicht. Er hatte es sich schrecklich zu Herzen genommen, dass er Babette auf der Spielwiese nicht früher vermisst hatte. Sie musste ihn rasch von seinem Leiden erlösen.
Beschämt über ihre Unaufmerksamkeit, griff sie, mit einem Blick auf die Uhr, zum Telefonhörer. Halb zehn. Da war jemand mit kleinen Kindern seit Stunden in Aktion.
Niels nahm ab.
»Niels! Hier ist Gwen. Ich habe großartige Neuigkeiten! Babette ist wieder da!«
»Ja, und weißt du auch, warum? Weil ich sie...«
»Unsere Babette ist wieder da!«
»Ja, gestern doch schon!«
Sie war baff. »Wusstet ihr das denn schon?«
»Ja, Tante Beatrijs hat Papa auf seinem Handy angerufen, als wir gerade Pizza gegessen haben. Aber weißt du...«
»Ach«, sagte sie. »Wie nett von ihr, das gleich weiterzugeben.« Offenbar hatte Laurens die gute Nachricht einfach nur zur Kenntnis genommen. Eine kurze Reaktion darauf hatte er wohl nicht für nötig gehalten. Im selben Moment hörte sie seine Stimme im Hintergrund: »Wer ist dran, Niels?«, und sogleich hatte Laurens den Hörer von seinem Sohn übernommen. »Gwen! Die Jungs und ich sind so unheimlich froh für euch alle. Wir haben hier eine Flasche Sekt für Babette bereitstehen. Plus eine für dich und Timo. Die kommen wir nachher bringen, wenn es euch recht ist. Ich wollte dich schon anrufen, aber ich wusste nicht, wie früh ihr heute Morgen auf sein würdet, nach der ganzen Aufregung.«
Sekt für Babette. Nein, auf Laurens konnte man einfach nicht böse sein. »Wie feierlich. Schön! Ich hoffe nur, ich hab die richtigen Gläser dafür.«
»Bring ich dir mit.«
»Gestern Abend wollte ich dich natürlich gleich anrufen, aber...«
»Du hattest meine Handynummer wahrscheinlich nicht, was? Ist auch nichts für dich, Gwen, diese modernen Kommunikationsmittel.«
Ein wenig entgeistert dachte sie: So siehst du mich also. Als wandelnde Plaggenhütte.
»Aber erzähl doch mal kurz: Ist mit Babette alles in Ordnung?«
»Ja. Prima sogar. Kaum wiederzuerkennen, so sehr ist sie gewachsen.«
»Und weiß man schon irgendetwas Näheres?«
»Nein, sie sind noch damit befasst. Sie haben die Sachen mitgenommen, die Babette gestern anhatte. Daraus ergibt sich vielleicht eine Spur. Und eine Polizeiärztin war hier.« Eine nette junge Frau war das gewesen. Timo und sie hatten wenigstens dabeibleiben dürfen, als sie dünne Gummihandschuhe angezogen und Babettes Beinchen gespreizt hatte. Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie schluckte und schluckte.
»Kurzum, es besteht aller Grund zur Freude«, befand Laurens nicht sonderlich passend.
Er hörte sich so hektisch an. War er überhaupt mit den Gedanken bei der Sache, oder schaute er sich unterdessen womöglich die Börsenberichte im Teletext an? Mit welchem Laurens sprach sie? Komischer Gedanke. Als gäbe es diverse Laurense, so à la Jekyll & Hyde. Sie stammelte: »Die Ärztin meint, es hat kein... kein Missbrauch stattgefunden. Verstehst du?«
»Schön.«
Er hatte Söhne, er hatte keine Ahnung.
»Bis nachher, Gwennie.« Er legte auf.
Er musste alles allein hinbekommen: Vielleicht war Tobygerade dabei, seinen Teller Frühstücksbrei umzukippen, oder es spielte sich im Hintergrund irgendeine andere häusliche Katastrophe ab. Sie würde rasch einen Apfelkuchen backen, zum Sekt. Oben hörte sie die Mädchen herumpoltern. Wenn die erst mal unten waren, würde sie zu nichts mehr kommen. Sie begann schnell, Rosinen und Korinthen abzuwiegen. Wie perfekt jede einzelne Rosine heute Morgen war! Und wie dankbar, wie unendlich dankbar sie dem ganzen Universum war! Sie huschte zum Laufstall hinüber und gab ihrer Tochter einen Kuss auf den Scheitel. Da dachte man immer von sich selbst, man sei lakonisch, nüchtern und bodenständig, doch das dachte man nur, solange das Schicksal einen noch nicht wirklich drangsaliert hatte.
Sie drückte gerade den Teig in die Springform, als Bobbie in die Küche kam, den frischen Geruch des Herbstes mit sich bringend. Empört sagte sie: »Sie haben das Band mitgenommen! Das ist doch allerhand! Das war doch wohl meins, oder etwa nicht?«
»Vielleicht war es genau genommen schon Staatseigentum. Aber sind sie jetzt
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