Der Ausflug
schon einen.« Er wedelte mit dem gelben Wisch. »Den kannst du doch einfach zerreißen.«
»Nein, wir sind schon im Computer.«
Ein ratloser Ausdruck trat in das Gesicht seines Sohnes. »Aber wie sollen wir denn das alles bezahlen?«
»He, Mann. Darüber brauchst du dir doch keine Sorgen zu machen. Kommst du nun zu mir nach vorn?«
»Nein, das ist schade ums Geld, finde ich.«
Zum ersten Mal an diesem Abend musste Laurens lachen. Doch gleich darauf fühlte er sich doppelt bedrückt. Sein Kind machte sich Geldsorgen.
Unter penibelster Einhaltung der Verkehrsregeln fuhr er nach Hause. Behutsam trug er den schlafenden Kleinen nach oben, zog ihn im Schlafzimmer aus, ohne das Licht anzumachen, und mummelte ihn ein. Er blieb noch kurz auf der Bettkante sitzen, völlig ausgebrannt. Aber er musste sich aufraffen und bei Gwen und Timo anrufen. Sie hatten bestimmt keinen Sekt im Haus, so wie er sie kannte. Wenn er nun morgen mit den Jungs bei ihnen vorbeifuhr und ihnen eine Flasche brachte? Großer Gott, war er erleichtert. Nicht auszudenken, wenn es anders ausgegangen wäre...
Neben ihm atmete Toby tief und ruhig. Laurens ließ den Kopf aufs Kissen sinken. Nur für ein Weilchen, dachte er. Er schloss die Augen und versuchte, sich Babettes Frätzchen zu vergegenwärtigen. Ein Säugling, den man fast zwei Monate nicht gesehen hatte, konnte sich in dieser Zeit bis zur Unkenntlichkeit verändert haben. Schläfrig dachte er: Vielleichtist es gar nicht Babette, vielleicht ist es ein anderes Baby, vielleicht hat man sie verwechselt. Warum sollte etwas so Schreckliches ohne weiteres gut ausgehen?
Obwohl es ihm vorkam, als sei er höchstens für ein paar Minuten eingenickt, schien der Mond hell ins Zimmer hinein, als er die Augen wieder öffnete. In dem bleichen Licht sah er mit einem Blick auf seine Armbanduhr zu seiner Verwirrung, dass es schon fast ein Uhr war. Desorientiert und mit einem leicht unwirklichen Gefühl stand er auf. Toby schlief immer noch, mit halb geöffnetem Mund, eine ungewaschene Hand an die Wange gedrückt. Laurens trat ans Fenster und schloss leise den Vorhang. Jetzt hatte er die Gelegenheit verpasst, mit Gwen und Timo zu sprechen. Das war nicht nett von ihm. Richtig schofel sogar. Er hätte sie gleich nach dem Gespräch mit Beatrijs anrufen sollen, aber wenn er ehrlich war, hatten ihn doch weitere Lobeshymnen auf Leander davon abgeschreckt, Leander, der mit seinem paranormalen Hokuspokus offenbar eine Rolle bei Babettes Heimkehr gespielt hatte. Leander, der große Hellseher. Leander, der okkulte King Kong. Leander, Ihr Mann bei allen Problemen.
Das war erst schofel, dass er sich nicht mal für den einen Moment über seine Aversionen gegen diesen wandelnden Poltergeist hatte hinwegsetzen können, um mit in die Freude seiner Freunde einzustimmen. Sie hatten ihr Kind wieder, darum ging es, und nicht um die Frage, ob dieser Kotzbrocken nun etwas in seiner Kristallkugel gesehen hatte oder nicht.
Sollte er noch eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter sprechen? Er konnte doch einfach wahrheitsgemäß sagen, dass er ein paar Stunden eingenickt war? Und im Übrigen waren sie ja vielleicht noch auf. Saßen hellwach bei ihrem Kind an der Wiege und staunten über das Wunder seiner Rückkehr.
Als er aus Tobys Zimmer auf den Flur trat, sah er, dass die Tür zu Niels’ Zimmer offen stand und dort noch Lichtbrannte. Er schaute rasch hinein. Da lag sein Großer schon ganz tief im Land der Träume. Die offene Tür, das Licht, das noch an war, alles deutete darauf hin, dass er eingeschlafen war, während er auf seinen Gutenachtkuss gewartet hatte.
Auf Zehenspitzen lief Laurens ins Zimmer und beugte sich über seinen Sohn. Niels, hier ist Papa. Aber kurz bevor seine Lippen die Kinderwange berührten, stockte er. Seine Nasenflügel begannen zu zittern. Jemand war ihm zuvorgekommen. Er konnte es riechen.
Unten in der Küche machte er eine Dose Bier auf, die er mit wenigen Schlucken hinunterkippte. Von dem Schock zitterten ihm die Hände. Das war verrückt, das konnte einfach nicht sein. Aber andererseits, bestand nicht das ganze Leben aus Träumen, die unverhofft wahr wurden, und Gewissheiten, die sich als Illusionen erwiesen? Hatte die Wirklichkeit nicht immer wieder ganz unvorhersehbare Dimensionen? Warum sollte Babette die Einzige sein, die aus dem Nichts zurückkehrte? Das Unmögliche und das Unerwartete, das waren schließlich von jeher Veronicas größte Talente gewesen. Vielleicht stand sie ja, auf ihre Art,
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