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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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anderen kleinen Krabben dabei zugesehen, wie sie sich in stramme Babys verwandelt hatten. Jetzt kam es einfach darauf an, das Leben wieder aufzunehmen. Babette war wie ein Astronaut, der nach langer Reise durch Zeit und Raum wieder auf der Erde gelandet war. Sie war verreist gewesen, aber heil zurückgekehrt. Das war das Entscheidende.
    Friedlich Spuckebläschen blasend, ließ sich Babette in den Strampelanzug stecken. Sie passte so gerade eben noch hinein. Vor ihr hatten Klaar und Karianne ihn getragen, und davor Marleen und Marise. Alle ihre Schwestern waren in diesem rosa Flanellding in den Schlaf gewiegt worden, sie hatten es voll gespuckt, sie hatten darin ihrer Spieluhr gelauscht, sie hatten darin bei Timo auf dem Schoß gesessen und warme Pfützen auf seiner Hose hinterlassen. Jetzt war eigentlich Babette an der Reihe, doch das Familienstück war ihr schon fast zu klein, sie würde es kaum tragen. Demnächst noch rasch ein paar Fotos von ihr machen, bevor es zu spät war. Sie setztedas Baby auf und drückte ihre Nase gegen das Kindernäschen. »Mein kleiner Schlingel«, sagte sie leise. »Wie hab ich dich vermisst.«
    Babette antwortete ihr mit einem kurzen, schelmischen Lächeln. Dann begann sie voller Hingabe an ihren Fingern zu nagen.
    Es war herrlich, so ein pflegeleichtes, zufriedenes Kind zu haben. Nie musste man anderen gegenüber warnende oder entschuldigende Geschichten über Fremdeln oder Muttergeruch erzählen. Man konnte Babette ohne weiteres in fremde Arme legen. Babette, das Strahlemädchen.
    Wer mochte ihr in den vergangenen Wochen Lieder vorgesungen haben? Wer hatte ihr die Härchen gewaschen und danach mit einer weichen Bürste gebürstet? Auf dem runden Köpfchen war nicht die kleinste Schramme zu entdecken: Man hatte gut für sie gesorgt. Wer mochte das getan haben, und warum? Doch solche Fragen führten zu nichts. Heimkehr-Babette! Astronauten-Babette! Ein Hurra auf Babette!
    Die Mädchen hatten gestern gleich als Erstes die Küche geschmückt, so lieb. Sie hatten aus gefaltetem Zeitungspapier ganze Girlanden tanzender Püppchen zurechtgeschnitten und sie, wacklig auf Tischen und Stühlen stehend, kreuz und quer aufgehängt. Es war alles in allem ziemlich spät geworden, aber was machte das schon, heute war Samstag, alle konnten ausschlafen oder den halben Tag lang im Pyjama herumlümmeln. Nur Timo war schon früh aufgestanden, um mit den Experten von der Spurensuche noch einmal zur Spielwiese zu gehen. Wie sie Bobbie kannte, war die jetzt wohl auch dort und schwang große Reden.
    Sie sah wieder vor sich, wie ihre Schwägerin im nebligen Schein der Taschenlampe aufgetaucht war, geradezu unirdisch, mit Babette in den Armen. Bobbie selbst war keineswegs überrascht gewesen. Ihrer Logik nach verstand es sichvon selbst, dass ihre kleine Nichte nirgendwo anders als dort bei dem Baum mit dem rot-weißen Band wieder gefunden werden würde, von ihr natürlich, da sie ja jeden Nachmittag nachsehen ging. Während ich im Bett lag oder betäubt vor Elend herumgehangen habe, dachte Gwen.
    Mit Babette auf der Hüfte ging sie nach unten. In der Küche legte sie das Baby in den Laufstall, zu seinen Sachen. Schau mal, Spätzchen, Rhabarberchen! Da ist dein Knisterbuch von Miffy wieder, kannst du es fühlen? Und hier: dein Hoppelhoppel-Hase! Verliebt schaute sie auf die kleinen Fingerchen, die sich wie von selbst um die ihren schlossen: Babette fand ihre Mama viel wichtiger als ein Spielzeug.
    So normal, so alltäglich, so komplett war alles, seit sie ihr Kind wieder bei sich hatte. Vor Glück summte sie vor sich hin, während sie die Limonadegläser von gestern abspülte und dabei alle naselang über die Schulter einen Blick auf ihr großes Mädchen warf, das dalag und seinen Stoffhasen studierte. Dieser eine Polizist, nicht der Lispler, sondern der andere, hatte sie noch vor einem möglichen Dämpfer für ihre Euphorie gewarnt. »Glauben Sie mir, es kommt wirklich vor, dass sich die Leute gar nicht recht freuen können, wenn alles gut ausgegangen ist. Zumal bei einem Baby. Wir haben Eltern erlebt, die einfach ihre Angst nicht mehr losgeworden sind. Die wagten sozusagen nicht mal mehr in die Wiege zu schauen, weil sie fürchteten, den glücklichen Ausgang nur geträumt zu haben.«
    Tja, das Unglaubliche war nun mal schwer zu glauben.
    Aber das gilt nicht für mich, dachte sie, beglückt, dass der Mann in ihrem Fall Unrecht hatte: Sie belehrte diese Beamten eines Besseren. Was hatte Veronica noch immer

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