Der Ausflug
Laden. Sie hatten alle zu viel Sekt getrunken, mitten am Tag, und bei jemandem, der neuerdings so enthaltsam lebte wie sie, haute das ziemlich rein. Sie lag vielleicht auf Bobbies Bett unter den Dachbalken und machte ein kleines Nickerchen.
Bobbie hatte es ihm mal gezeigt, von draußen: Guck mal, Laurens, da schlafe ich, und die Löcher unter den Dachziegeln, siehst du die? Die sind für die Schwalben, die bauen da im Frühling immer ihre Nester und fliegen dann, wenn sie Junge haben, ein und aus und ein und aus.
Er schaute sich um, wo Niels geblieben war. Ob er Toby im Ferienhäuschen zurückgelassen hatte? Im selben Moment meinte er seinen Kleinen in der Ferne weinen zu hören, und seine Beine nahmen von sich aus Kurs auf das Häuschen. Das letzte Stück legte er im Laufschritt zurück. »Toby!«, rief er, während er an der Klinke rüttelte. Aber die Tür war abgeschlossen. Er schaute durch die beschlagene Scheibe. Die Wohnküche war allem Anschein nach leer und verlassen.
Er lief um das Häuschen herum. Die Tür des klapprigenSchuppens stand weit offen. Drinnen hörte er Niels’ Stimme: »Das Pedal hier hat sich in den Speichen verklemmt, daran liegt es, du Dummbatz.«
Er ging in den Schuppen hinein.
Niels, der dabei war, einen Stapel Fahrräder auseinander zu ziehen, was offensichtlich seine Kräfte überstieg, schaute erschrocken auf.
»Papa«, schniefte Toby, »ich wollte aus meinem Käfig raus, und da ist alles umgefallen.« Er war unter den ineinander verhakten Rädern eingeklemmt, sah aber unversehrt aus.
»Wir haben dich gleich befreit«, sagte Laurens. Er ruckte das vorderste Fahrrad los, hob es hoch und stellte es an die Wand. »Aber was hast du denn auch in einem Käfig gemacht, du verrücktes Äffchen?«
»Nein, Pap, ich war ein Tiger.«
»Ganz allein?« Er stellte zwei weitere Räder weg.
Niels’ Miene sprach Bände, er fürchtete eine Standpauke.
Deprimiert dachte Laurens: Bin ich zu streng zu ihm? »Hilfst du mir eben, Niels? Zeig mal, was du so für Muskeln hast.« Mit vereinten Kräften zogen sie das letzte Fahrrad hoch und stellten auch das an die Wand. Dahinter erklang ein dumpfer Schlag, als hätte drinnen jemand einen sehr großen, schweren Gegenstand auf den Boden geworfen.
»Was war denn das?«, sagte er. Da war doch niemand, die Tür war doch abgeschlossen?
»Beatrijs!«, rief Leander im Garten erneut.
Niels’ Miene wurde noch bedripster. »Ich muss mal, Pap.«
»Komm, wir gehen.« Er bückte sich und hob Toby hoch. Im Vorübergehen warf er noch einen Blick auf das Häuschen, aber die Vorhänge der beiden Schlafzimmer waren zugezogen. Und plötzlich schoss ihm ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf. Wenn es Veronica bei ihm zu Hause gelang, Gegenstände umzustellen, dann konnte sie das auch hier. Dann konntesie es überall. Dann konnte sie jederzeit und an jedem Ort ihre Anwesenheit zu erkennen geben, damit er sich darüber im Klaren war, dass es für ihn kein neutrales Terrain mehr gab. Er hatte ihre Zeichen bis jetzt einfach falsch gedeutet. Sie hatte die Jagd auf ihn eröffnet.
DRITTER TEIL
Winter
Gespenster
Im Autoradio wurden winterliche Schauer und Glatteis-Gefahr gemeldet. Gwen trat das Gaspedal ihres klapprigen Toyota etwas weiter durch. Wenn sie bloß in Amsterdam war, bevor das schlechte Wetter einsetzte. Auch ohne Straßenglätte erschöpfte sie der Großstadtverkehr schon mehr als genug. An so gut wie leere Straßen gewöhnt, wo man nur hin und wieder mal geduldig hinter einem Traktor hängen blieb, kam sie sich wie eine beschränkte Provinzlerin vor. Im Rückspiegel tauchten unaufhörlich neue Autos auf, die in grimmiger Eile herangerast kamen. Man musste sich offenbar voll ins Zeug legen, sich gegenseitig schneiden und dann auch noch hupen.
Einer von Veronicas Theorien nach gab es drei Dinge, die ein jeder felsenfest von sich glaubte, nämlich: 1. Ich bin ein guter Freund/eine gute Freundin, 2. Ich bin gut im Bett, 3. Ich kann gut Auto fahren. Wenn sie also freimütig bekannte, nur eine mittelmäßige Fahrerin zu sein, stimmte offenbar etwas nicht mit ihr. Über die Frage, ob sie die anderen beiden Voraussetzungen erfüllte, mochte Gwen momentan lieber nicht nachdenken.
In der Ferne tauchten bereits die ersten Ausläufer Amsterdams auf. Gwen wechselte sicherheitshalber schon mal auf die rechte Fahrspur, um nachher bei der Ausfahrt nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Obwohl sie diese Strecke nun schon seitfast zwei Monaten einmal die Woche
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