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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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nackt im Türrahmen und sah sie an. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ja.« Damit drehte sie sich um, lief die Treppe hinunter und winkte dem nächsten Taxi.

2
    DER HEALTH CLUB LAG VOLL IM TREND.   Yuppies zahlten gutes Geld, um in einem solchen Fitnessstudio einfach nur ein bisschen herumzustehen. Doch der Herr Doktor war anders. Bennett beobachtete ihn jetzt schon eine ganze Weile. Abgesehen von einer höchst interessanten Schwäche war der Mann in etwa so aufregend wie eine Schüssel Haferflocken. Er stand bei Morgengrauen auf, trank eine Tasse Kaffee mit seiner Frau (die zumindest durch die Fensterscheibe aussah, als wäre sie früher mal attraktiv gewesen), und dann ging es auch schon zum Sport. Dreißig Minuten auf dem Laufband, dreißig Minuten schwimmen, eine Massage, schnell unter die Dusche, und weiter zur Arbeit.
    Aber Bennett mochte solche Leute – Leute mit einem festen Tagesablauf. Da konnte man sich sicher sein, dass sie in einem gewissen Teil ihres Lebens von der Routine abwichen, ein bisschen über die Stränge schlugen. Irgendwie musste man den erdrückenden Alltag schließlich auf Abstand halten, jeder musste das. Magersüchtige hatten ihre Fressattacken, Abstinenzler soffen auf der Weihnachtsfeier, treue Ehemänner ließen sich auf Geschäftsreisen von kessen Verkäuferinnen ablutschen. Irgendwo baute jeder Scheiße, das war fest in der menschlichen DNA verankert. Erst recht, wenn das Pokerface allzu perfekt war.
    Und das war auch gut so. Irgendwie musste man ja seinen Lebensunterhalt verdienen.
    Bennett betrat das Studio und zeigte dem geschniegelten Jungen an der Rezeption seinen Gästeausweis.
    »Ihre Probemitgliedschaft läuft morgen ab«, zwitscherte der Junge. »Was meinen Sie? Sind Sie bereit für Ihr neues Ich? Sind Sie bereit für die Vollmitgliedschaft?«
    »Ich überleg’s mir.« Bennett ließ ihn stehen und ging zum Schwimmbecken.
    Im grellen Neonlicht erstreckten sich vier Fünfundzwanzig-Meter-Bahnen. Eine fette Brustschwimmerin mit Badekappe paddelte gemächlich auf und ab, das Gesicht zu einer schrecklich ernsten Grimasse verzogen. Unmittelbar daneben durchpflügte der Doktor das Wasser; er pflegte einen perfekten Kraulstil, vier Armzüge pro Atemzug und Rollwenden am Ende der Bahn. In seinem knappen Badehöschen, eine Schwimmbrille auf der Nase, absolvierte er drei Bahnen für jede Bahn seiner korpulenten Nachbarin. Bennett stand hinter der Glasscheibe und beobachtete ihn. Chlorgeruch stieg ihm in die Nase.
    Zehn Minuten später hievte sich der Doc aus dem Wasser und machte sich nach ein paar Dehnübungen am Beckenrand auf den Weg zum Ausgang. Die Augen der Frau, in denen eine Art Hunger brannte, klebten an seinem Rücken. Bennett hielt ihm die Tür auf.
    »Danke«, sagte der Doc.
    »Keine Ursache.«
    Bennett blieb noch ein paar Minuten, um der Frau zuzuschauen. Irgendwie rührte ihn ihr Anblick. Bestimmt wusste sie, dass sich ihr Leben niemals ändern würde, dass sie auch noch nächstes und übernächstes Jahr hierherkommen würde, genauso fett wie eh und je, um ungeschickt durchs Becken zu planschen, bevor sie sich duschte und wieder mal allein nach Hause fuhr. Aber sie war hier, trotz allem, sie hatte sich sogar Gewichte angelegt, sie gab nicht auf. Vor Bennetts Augen spielte sich das ganze Drama des menschlichen Lebens ab. Es konnte einem das Herz brechen.
    Genug. Er wandte sich ab und ging zum Massagebereich, wo gerade ein Mädchen mit dürrem, kantigem Gesicht und enorm großen Händen auf eine geschlossene Tür zusteuerte.
    »Entschuldigung«, sagte Bennett.
    »Womit kann ich dienen?«
    »Ich weiß, mein Anliegen klingt etwas merkwürdig … Ich bin ein Mitarbeiter des Doktors, und ich müsste ihn sofort sprechen. Wir hatten einen Unfall im Labor, und …«
    Das Mädchen zögerte. »Na, wenn es so dringend ist …«
    »Danke.« Bennetts Hand lag schon auf der Türklinke, doch sie stand immer noch da und sah ihn an. »Es tut mir leid, aber Ihnen ist sicher bewusst, dass wir an streng vertraulichen Projekten arbeiten.«
    »Äh …«
    »Nochmals vielen Dank.« Damit betrat er den Raum und schloss die Tür.
    Der Doc lag mit dem Bauch nach unten auf dem Massagetisch, ein Handtuch über dem Arsch. Auf dem kleinen Zen-Steinhaufen in der Ecke flackerten ein paar Kerzen, leise Musik drang aus unsichtbaren Lautsprechern. Chic.
    »Cindy«, sagte der Doc, ohne aufzublicken. »Ich fürchte, heute hast du besonders viel zu tun. Meine Schultern bringen mich noch um. Wahrscheinlich hab ich

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