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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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einen Hand hielt er sich die Nase, mit der anderen bedeckte er seine Blöße, während ihm sein ganzes Leben durch die Finger rann. Wie so oft bestätigte sich Bennetts Theorie: In seinem Metier lohnte es sich immer, für ein bisschen Theater, ein bisschen Drama zu sorgen. Hinter seinem Schreibtisch, in maßgeschneiderten Hosen und Kaschmir-Sweater, hätte sich der Herr Doktor viel zu sicher gefühlt. Jetzt wusste er zunächst gar nichts zu sagen, ehe er auf seine Füße starrte und murmelte: »Wie viel?«
    »Warm, aber noch nicht heiß.«
    »Was?«
    »Ich will kein Geld.«
    »Was dann?«
    »Nichts, was Sie besonders viel Zeit oder Geld kosten würde. Sie sollen nur eine Kleinigkeit für mich erledigen.« Bennett zog ein weiteres Blatt aus der Tasche und hielt es ihm mit voller Absicht in einiger Entfernung hin. Welche Hand der gute Mann wohl ausstrecken würde? Nach einer Sekunde Bedenkzeit ließ der Doc die Nase los und schnappte sich den Zettel. Lieber mit Blut besudelt werden, als den eigenen Schwanz zur Schau stellen. Bennett lächelte. »Damit können Sie doch was anfangen, oder?«
    Die Augen des Doktors wurden immer größer, während er den Zettel überflog.
    »Ja, damit können Sie was anfangen«, meinte Bennett. »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Sobald Sie liefern, lösche ich die Originale. Die sind sowieso nicht ganz mein Ding. Das heißt, natürlich könnte ich Ihnen vorher Kopien zukommen lassen, quasi als kleines Souvenir von Ihrer … Eskapade.«
    »Ich … Haben Sie eine Ahnung, was das ist?«
    Bennett seufzte, beugte sich vor und schnippte ihm mit dem Mittelfinger gegen das gebrochene Nasenbein. Mit einem Schrei ließ der Doc das Blatt fallen. »Würde ich Sie denn darum bitten, wenn ich es nicht wüsste?«
    »Das krieg ich nicht hin.«
    »Ich glaube an Sie. Sie sind doch ein schlaues Kerlchen, und in der Firma steht Ihnen ein gigantischer Chemiekasten zur Verfügung. Außerdem arbeiten Sie ständig für Pharmakonzerne. Ich schätze, Sie haben fast alles auf Lager, was Sie brauchen. Na, hab ich recht?«
    Der Doc schaute drein, als hätte ihm jedes einzelne Wort einen Stich verpasst – und nickte nur.
    »In Ordnung. Ich gebe Ihnen drei Tage.«
    »Drei Tage? Das schaffe ich ni…«
    »Erst denken, dann reden. Sollten Sie sich wirklich mal angewöhnen.«
    Der Doc schluckte und schwieg.
    »Schon besser.« Bennett richtete sich auf. »Also. Ich habe Ihre Handynummer. Sie hören von mir. An Ihrer Stelle würde ich mich langsam an die Arbeit machen.« Er steckte die Waffe in den Gürtel und drehte sich zur Tür. »Ach ja, übrigens. Ich glaube, die hübsche Kleine, die neben Ihnen geschwommen ist, hat sich in Sie verguckt. So von Mann zu Mann, Sie wissen schon.« Mit einem Zwinkern kehrte er ihm den Rücken zu und ließ den nackten, blutenden Mann allein.
    Eine gelungene Vorstellung. Er hatte den passenden Ton getroffen, und genau darauf kam es an. Als er den Flur hinunterschlenderte, fühlte er sich richtig gut.
    Kurz vor der Treppe holte ihn die Masseuse ein. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Alles paletti. Aber wissen Sie was? Ich fürchte, dem Doktor ist heute nicht nach Massage.«

3
    ZUM HAUS SEINER EX-FRAU brauchte Alex bei günstigem Verkehr gerade mal vierzig Minuten, doch für ihn lag es auf einem völlig anderen Planeten. Am liebsten hätte er einen Raumanzug angelegt.
    Das lag nicht am Haus selbst; das war einfach nur typisch für die Vororte: zweistöckig, Aluverkleidung, bunt bemalte Fensterläden, drum herum eine grüne Wiese, die von einem frisch gefegten Gehsteig begrenzt wurde. Kein Monster von McFertighaus mit vier Garagen, Pool und genug Platz für eine koreanische Großfamilie, sondern ein nettes Eckhäuschen. Und es war ja nicht so, dass er sich in den Vororten automatisch unwohl gefühlt hätte, schließlich war er selbst in einem aufgewachsen. Zwar nicht hier, sondern in Michigan, aber das Tolle an Vororten war nun mal, dass sie überall gleich aussahen. Ja, die schlichten Einkaufszeilen, weitläufigen Straßen und bunten Schnellrestaurants machten ihn sogar ein wenig sentimental.
    Nein, es war etwas anderes: die plaudernden Mütter mit ihren Kindern. Die Jungs und Mädchen auf ihren Fahrrädern, die sich mit strampelnden Beinen über den Lenker beugten. Die ruhigen, schattigen Alleen. Hier schien alles in bester Ordnung. Geregelt. Angemessen. Diese Welt war das exakt berechnete Ergebnis einer Reihe genau bedachter Entscheidungen.
    Alex dachte an Jenn, wie sie gestern in

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