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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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umschloss ihr Handgelenk mit fes-tem Griff. »Sag die Wahrheit, Lou.«
    Die Veränderung in ihrem Gesicht war zu auffällig. Diese Erklärung war eingeübt. »Du spinnst ja!«, sagte sie verächtlich und riss sich von ihm los.
    »Du weißt genau, dass ich da nicht war. Ich war gerade mal dreizehn Jahre alt und total von der Rolle, weil meine beste Freundin verschwunden war. Frag Mam, wenn du mir nicht glaubst. Sie hat vor meiner Tür Wache gestanden, damit ich keine Dummheiten mache.«
    401

    »Ich habe ›jemals‹ gesagt, Lou. Ich habe nicht gefragt: ›Warst du an dem Tag dort, als sie ermordet wurde?‹«
    Louise griff nach seinen Zigaretten und seinem Feuerzeug. Ihre Hände zitterten wieder. »Ich war nie bei Mrs. Jefferies im Haus. Zufrieden?«
    »Nein.« Billy schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du und Cill habt euch bei ihr versteckt, wenn ihr die Schule geschwänzt habt. Ich weiß, dass du einmal zu mir gesagt hast, sie hätte einen größeren Fernseher als wir.«
    Ihr Mund begann zu zucken, und sie hob den Schal, um es zu verbergen. »Du hast dich echt überhaupt nicht verändert, Billy.« Wieder glänzten Tränen an ihren Wimpern. »Du bist noch genauso eine penetrante Nervensäge wie früher.«
    402

    16
    25 Mullin Street, Highdown, Bournemouth
    Mittwoch, 23. April 2003, 17 Uhr
    George wohnte in einer Doppelhaushälfte aus den Dreißigerjahren mit weißem Rauverputz und ana-chronistisch wirkenden Pseudotudorfenstern und
    -türen in hartem Schwarz. Unter der Traufe befand sich ein erhaben gearbeitetes Blütenblattmotiv, die Fenster hatten rautenförmige bleiverglaste Scheiben, und zwei kümmerliche Holzbalken, die im rechten Winkel aufeinander trafen, sollten die Illusion von Fachwerk erzeugen.
    »Es ist ein typisches Beispiel seiner Zeit«, bemerkte sie ironisch, als Jonathan nichts sagte.
    Er lächelte. »Also ähnlich wie Poundbury – relativ neu, aber auf alt gemacht.«
    »Guter alter Vorkriegstinneff halt«, sagte sie, schon auf dem Weg zur Haustür, »aber wenigstens für die Ewigkeit gebaut. Von außen finde ich es auch nicht gerade hinreißend, aber innen ist es ganz schön.« Sie drehte den Schlüssel im Schloss. »Die Nachbarin, die damals beobachtete, wie Howard 403

    das Haus betrat, sagte, es sei ein Abklatsch von Grace’ Haus, das dort drüben stand, bevor es abgerissen wurde.« Sie wies mit dem Kopf zu einem großen Mietshaus etwa fünfzig Meter die Straße runter.
    »Wo haben die Burtons gewohnt?«
    George öffnete die Tür und hielt sie mit dem Knie angelehnt. »Nummer achtzehn.« Sie wies zu einer Zeile Backsteinhäuser gegenüber dem Wohnblock.
    »Die Häuser gehörten ursprünglich der Gemeinde, aber die hat sie in den Achtzigern an die Mieter verkauft.«
    Sie führte ihn in ihr Wohnzimmer und warf ihr Köfferchen auf einen Sessel. Es war ein großer offener Raum mit einer zweiflügeligen Tür zum Garten und einem Torbogen zu einer Essecke und der Küche. George hatte offensichtlich eine Vorliebe für Schnickschnack und Nippes, sämtliche verfügbaren Flächen waren damit voll gestellt. Ihr Farbsinn war interessant, fand Jonathan, während er sich fragte, ob er die Kombination von senfgelben Wänden und schokoladenbraunem Teppich mochte. Ein wenig sehr erdhaft und den Gemälden an den Wänden nicht immer zuträglich, aber die ganze Atmosphäre spiegelte doch sehr gut Georges Persönlichkeit: warm, kreativ, nicht immer bequem.
    »Das Telefon ist in der Küche«, sagte sie, während sie aus ihrer Kostümjacke schlüpfte und sich diese gefaltet über den Arm legte. »Ich gehe inzwischen 404

    nach oben und ziehe mich um. Eine halbe Stunde werde ich dazu schon brauchen. Der Kaffee steht neben dem Wasserkocher, und im Kühlschrank ist eine offene Flasche Wein. Bedienen Sie sich einfach.«
    »Und wenn ich nicht anrufe?«
    George hob die Schultern und senkte sie wieder.
    »Dann erfahren Sie nie, wie es weitergegangen wäre.« Sie zog ein Gesicht. »Aber tun Sie’s bloß nicht für mich. Mein Vater sagte immer, ich sei neugieriger, als mir gut tut. Tun Sie es, weil Sie es tun möchten, Jon.«
    Er wartete, bis er ihre Schritte auf der Treppe hörte, dann ging er unter dem Torbogen hindurch und sah sich nach dem Telefon um. Es hing an der Wand am Ende einer L-förmigen Arbeitsplatte, die die Küche von der Essecke abtrennte. Er legte seine Aktentasche auf den Tisch und zog sein Jackett aus, wobei er automatisch die Brieftasche herausnahm und in die Aktentasche schob. Als dabei sein Handrücken

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