Der Außenseiter
»Was soll daran clever sein? Als Nächstes wird ein Privatdetektiv bei mir vor der Tür hocken.«
»Na und? Du kannst doch beweisen, dass du nicht Cill Trevelyan bist. Du brauchst nur deine Geburtsurkunde vorzuzeigen.«
Er zündete sich selbst ebenfalls eine Zigarette an und beugte sich vor. »Ich fand es insofern clever, dass ich diese Gardener durch meine Hilfsbe-reitschaft überzeugen konnte, dass Priscilla Fletcher nicht Louise Burton ist. Das heißt natürlich nicht, dass sie dich nicht aufstöbern wird, aber du ge-winnst auf die Weise immerhin Zeit, um dir eine Erklärung auszudenken.«
Sie starrte ihn misstrauisch an. »Wofür?«
»Na, zunächst mal dafür, dass du dich in einen Abklatsch von Cill verwandelt hast. Warum übrigens, wenn ich das mal fragen darf?«
»Das geht dich gar nichts an.«
»Weil du dich schuldig fühlst? Ist ihr was zugestoßen?«
»Sie ist vergewaltigt worden.«
»Davon abgesehen.«
398
Sie schaute ihn nicht an. »Warum hast du so lang gebraucht, um mich zu finden? Du hast gesagt, George war schon vor zehn Tagen bei dir.«
»Ich hatte eine Weile Tagschicht, da hatte ich keine Zeit. Und du stehst nicht im Telefonbuch. Ich musste erst einen Kumpel bei der Post beschwat-zen, mir deine Adresse zu geben.« Ihm war aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit sie von
»George« gesprochen hatte. »Kennst du diese Frau, Lou?«
»Nein.«
»Okay, hast du von ihr gehört? Sie ist ziemlich gut im Bilde über dich – oder genauer gesagt, über Priscilla Fletcher. Sie hat mir erzählt, dass du in Sandbanks lebst, dass du mal mit Roy Trent verheiratet warst und einen Sohn von ihm hast, der zur Welt kam, als du noch ein Teenager warst.«
Er erschrak, als er die Furcht in den Augen seiner Schwester erkannte. »Ach, verdammt noch mal, Lou«, murmelte er, die Stimme senkend. »Wo bist du da reingeraten? Hat sie Recht mit ihrer Vermutung über Roy? Hast du gelogen, als du vorhin gesagt hast, du hättest keine Kinder?«
Er konnte noch so mühelos in ihrem Gesicht lesen wie früher, als sie ein Kind gewesen war, und beobachtete ihre Züge, während sie sich verschiedene Versionen einer Story ausdachte und wieder verwarf. Offenbar fand sie keine überzeugend genug, ihn glauben zu machen, sie sei nicht in 399
Schwierigkeiten. »Das mit dem Kind war nicht gelogen«, sagte sie schließlich, »Roy hat eines. Einen Sohn. Er ist inzwischen erwachsen und lebt in London – in einer Zelle in Wandsworth –, aber zu Anfang unserer Ehe hat er eine Weile bei uns gelebt. Daher hat diese Schnüfflerin wahrscheinlich die Geschichte mit dem Sohn. Es würde mich allerdings interessieren, wer ihr das gesteckt hat. Der Junge war ein einziger Albtraum – hat ständig irgendwelche krummen Sachen gemacht, wir hatten dauernd die Bullen im Haus … Er ist schuld dran, dass Roy und ich uns getrennt haben.«
»Wer war seine Mutter?«
»Eines von Roys Flittchen. Ich hab ihm gesagt, dass er den Jungen nicht aufzunehmen braucht, aber er wollte sich nichts nachsagen lassen und hat nicht auf mich gehört. Es war klar, dass der Junge früher oder später im Knast landen würde …« Sie verzog geringschätzig den Mund. »Er war sechzehn, als er zu uns kam, und neunzehn, als sie ihn eingebuchtet haben – und in den drei Jahren hat er es geschafft, alles zwischen Roy und mir kaputtzu-machen.«
»Wann war das?«
Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette und drückte sie dann aus. »Wir haben zweiundneunzig geheiratet, zweitausendeins bin ich gegangen, nachdem ich mir neun Jahre lang von Roy angehört hatte, sämtliche Probleme seines beschissenen 400
Sohnes wären allein meine Schuld, und letztes Jahr war die Scheidung. Mit Roy und mir hätte es prima klappen können – er ist immer noch irre verknallt in mich –, an den ganzen Problemen war nur der verdammte Junge schuld.«
Es waren zu viele Informationen auf einmal, und Billy war nicht geübt genug, die Spreu vom Weizen zu trennen. Warum hatte Louise Roy Trent überhaupt geheiratet? War auch sie eines seiner Flittchen gewesen? Was hatte sie getan, um sich die Schuld an den Problemen seines Sohnes in die Schuhe schieben lassen zu müssen? Was war nach der Scheidung geschehen? Wann hatte sie Nick Fletcher geheiratet? Woher wusste sie, dass Roy immer noch in sie verliebt war? War er an dem blauen Auge und der geschwollenen Lippe schuld?
Er stellte schließlich die Frage, die ihn am meisten belastete. »Warst du jemals bei Grace Jefferies im Haus?« Er
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