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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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das Innenfutter der Tasche streifte, erinnerte er sich, wie er im Crown and Feathers genau die gleichen Handgriffe ausgeführt hatte. Er hob den Blick und starrte durch die bleiverglasten Fenster in Georges ungepflegten Garten hinaus.
    Warum hatte Priscilla Fletcher ihm die Brieftasche gestohlen, wenn sie keine Aufmerksamkeit hatte auf sich ziehen wollen?
    Seufzend trat er zur Arbeitsplatte und griff zum 405

    Telefonhörer. Er wusste, dass das Gespräch in Tränen enden würde, aber er wusste auch, dass George Recht hatte. Er konnte nicht ewig in einem emotionalen Vakuum leben, wenn er nicht verrückt werden wollte.
    Louise schleuderte Billys Hand von ihrem Arm, als sie aus dem Café stürmte. »Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, schrei ich«, drohte sie zischend. »Und wenn mich jemand fragt, sag ich, dass du mir die blauen Flecken verpasst hast.« Mit ihren blassen Augen starrte sie ihn herausfordernd an. »Du kannst es mir ruhig glauben.«
    Das tat er. Sie war nie davor zurückgeschreckt, ihn fälschlich zu beschuldigen, wenn ihr das half, selbst ungeschoren davonzukommen – außer das eine Mal, als Cill vergewaltigt worden war. »Bitte«, sagte er mit gleichem unerschrockenem Blick.
    »Schrei doch – und wenn die Polizei kommt, erzähl ich denen, dass ich bei Cill Trevelyans Vergewaltigung dabei war, dass ich die drei Schweinekerle benennen kann, die da mitgemacht haben, und dass Howard Stamp nicht der einzige Mensch mit rotblondem Haar war, der sich in Grace Jefferies’
    Haus aufgehalten hat.«
    Louise lachte schrill. »Das würdest du nie tun«, entgegnete sie. »Du bist Mam viel zu ähnlich. Du hast viel zu viel Schiss, was die Nachbarn sagen, und hältst lieber den Mund.«
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    »Darauf würde ich mich an deiner Stelle nicht verlassen, Lou.«
    Es folgte eine kleine Pause, dann berührte sie unerwartet liebevoll seine Wange. »Das sind doch alte Geschichten«, sagte sie, »und du kannst sie nicht wieder aufwärmen, ohne deiner Frau und den Kindern zu schaden. Glaubst du denn, sie würden es dir danken, wenn du ihren Namen in den Schmutz ziehst? Es sind nie die Schuldigen, die leiden, Billy.«
    Sie wandte sich ab, und diesmal ließ Billy, von plötzlicher Furcht ergriffen, sie gehen. »Deine Mutter hat eine Menge auf dem Gewissen …«
    Jonathan war im Garten, als George wieder nach unten kam. Er streunte mit gesenktem Kopf und zusammengedrückten Händen, zwischen denen er ein Taschentuch zerknüllte, ziellos im hochstehen-den Rasen umher. Sie wusste, dass er den Anruf gemacht hatte. Sie hatte oben seine Stimme gehört.
    »Ach, Mist«, murmelte sie vor sich hin und nahm den Wein aus dem Kühlschrank. »Mist, Mist, Mist.« Sie goss zwei Gläser ein und nahm sie mit nach draußen. »Kopf hoch«, sagte sie mit falscher Munterkeit, als sie Jonathan eines in die Hand drückte und mit ihm anstieß. »Versuchen Sie, es als Neubeginn zu sehen – wenn eine Tür sich hinter einem schließt, heißt das, dass man in die andere 407

    Richtung weitergehen kann. Und das ist gut so. So soll es sein.«
    »Ihr Rasen müsste mal gemäht werden«, sagte er, mit dem Fuß durch das Gras streifend. »Haben Sie einen Rasenmäher? Soll ich es für Sie machen?«
    »Wollen Sie nicht lieber nach Hause fahren? Ich kann Sie zum Bahnhof bringen.« Sie senkte ihr Weinglas. »Den kann ich austrinken, wenn ich zurück bin.«
    Jonathan schob den Finger unter den Stiel und drückte aufwärts. »Trinken Sie ruhig. Andrew hat mir dreißig Pfund geliehen, da kann ich mir nachher ein Taxi leisten.«
    Sie wartete und sagte, als er nicht fortfuhr:
    »Möchten Sie darüber reden? Was hat Emma gesagt?«
    »Nichts. Ich habe gar nicht mit ihr gesprochen.« Er lächelte mit bitterer Ironie über ihren Gesichtsausdruck. »Ihr Vater war am Telefon. Er sagte, er würde mir ›meine schwarzen Eier zerquetschen‹, wenn ich noch einmal anrufen sollte.
    Ich nehme an, sie lebt bei ihren Eltern. Oder aber er hat ihr Handy konfisziert.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    Er strich wieder mit dem Fuß durch das Gras.
    »Dass ich morgen früh vorbeikomme und ihm seine weißen zerquetsche, wenn er mich nicht sofort mit Emma sprechen lässt.«
    George lachte überrascht. »Gut gemacht! Und?«
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    »So viel Mut traut er mir nicht zu. Er hat einfach aufgelegt.«
    Sie ließ einen Moment verstreichen und sagte dann: » Haben Sie den Mut?«
    »Vielleicht – wenn ich erst einen Probelauf mache.«
    »Mit wem?«
    »Roy Trent«, antwortete er und lächelte. »So wie ich

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