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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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weg«, flüsterte sie und schob ihre Hand in die Cills. »Bist du okay?«
    Neiiiin! Tagelang würde dieser Schrei in ihrem Kopf widerhallen. »Ja, ja. Und du?«
    Das Mädchen rollte sich ganz klein zusammen und legte ihren Kopf auf Cills Brust. »Dein Dad schlägt dich windelweich, wenn er das erfährt.«
    »Ich erzähl’s ihm gar nicht.«
    »Und wenn du schwanger bist?«
    »Dann bring ich es um.«
    »Ganz bestimmt erzählt’s Billy deiner Mam.«
    »Dann bring ich ihn auch um.« Sie schob Lou weg und setzte sich auf. »Wo ist er überhaupt?«
    »Da drüben.« Mit einer Kopfbewegung wies Lou
    zu der Sitzbank. »Du hättest dich nicht auf ihn draufstellen sollen, Cill. Meine Mam sagt, wenn Männer wütend werden, sind immer die Frauen dran schuld.«
    21

    Cill zog das zerfetzte Top über ihren nackten Busen und starrte auf das Blut an ihren Oberschenkeln.
    Sie brauchte jetzt keine Belehrungen über Schuld, sie musste schauen, dass sie nach Hause kam, ohne bemerkt zu werden. Zornig packte sie Lou bei den Haaren und drehte sie in ihrer Faust zusammen.
    »Es wär gar nicht so weit gekommen, wenn du ihn nicht eine Jungfrau genannt hättest. Also, hilfst du mir jetzt, oder willst du mich noch mal in die Pfanne hauen?«
    Lou begann zu weinen. »Du tust mir weh«, jam-
    merte sie.
    »Klar«, versetzte Cill ungerührt.
    »Es ist doch nicht meine Schuld, dass das passiert ist.«
    »Und ob es deine Schuld ist! Du hast sie verspottet. Du bist eine echt blöde Kuh, Lou, und du hast nicht mal versucht, mir irgendwie zu helfen.«
    »Ich hab Angst gehabt.«
    »Ich auch – aber ich bin zu dir zurückgekommen.«
    Lou antwortete mit einem verlegenen Schulterzucken: »Hätt doch überhaupt nichts gebracht, wenn wir’s alle beide gekriegt hätten.«
    »Da hast du Recht.« Cill drehte die Haarsträhne in ihrer Faust noch fester zusammen und drückte Lou die Fingerknöchel in die Kopfhaut. »Aber kriegen tust du’s auf jeden Fall, wenn einer von euch was sagt, du oder dein Bruder.« Die Augen voller 22

    Tränen, starrte sie Lou an. »Hast du verstanden?
    Weil wenn mein Dad mich noch mal anrührt, bin ich weg – und dann komm ich nie mehr zurück.«
    Eltern und Lehrern fiel die Abkühlung zwischen den beiden Mädchen auf. Ein- oder zweimal versuchte Louise Burtons Vater von seiner Tochter zu erfahren, was der Grund dafür war, aber Lou zuckte nur mit den Schultern und sagte, Cill habe sich eine andere Freundin gesucht. Billy stahl sich bei diesen Gelegenheiten stets aus dem Zimmer, aber seine Eltern kamen gar nicht auf den Gedanken, dass er etwas wissen könnte. Und sie fanden die Frage auch nicht interessant genug, um sie weiterzuverfolgen. Frei von Cills Einfluss begann Louise, sich wieder zu kleiden wie es einer Dreizehnjährigen angemessen war, und das Schuleschwänzen, mit dem sie die unwillkomme-ne Aufmerksamkeit der Rektorin auf sich gezogen hatte, hörte auf.
    Auch Priscilla Trevelyans Eltern war der Bruch zwischen den beiden Mädchen nur recht. Louise Burton hatte mit ihrer blinden Ergebenheit Priscilla gegenüber diese noch in dem aufsässigen Verhalten unterstützt, das sie mit der Pubertät plötzlich an den Tag gelegt hatte. Enttäuscht über den man-gelnden Lerneifer seiner Tochter und besorgt angesichts ihrer frühen körperlichen Reife, hatte Cills Vater versucht, sie mit strenger körperlicher 23

    Zucht in Schranken zu halten, und die plötzliche Entfremdung zwischen den beiden Mädchen wurde mit Erleichterung wahrgenommen, aber niemals angesprochen. Er fürchtete, wenn man dar-
    über spräche, würde die Freundschaft womöglich von neuem aufflammen, und verbot seiner Frau, Teilnahme zu zeigen. Cills missmutige Stimmung schrieb er der Entzweiung von Louise zu und ignorierte sie, froh, dass seine Tochter neuerdings gewissenhaft zur Schule ging.
    Die Lehrer der beiden Mädchen sahen die Sache weniger positiv, nachdem am Freitag, dem 29. Mai, in der Sportstunde ein wütender Streit zwischen ihnen ausgebrochen war. Drei Wochen lang hatte feindseliges Schweigen geherrscht, bevor Louise eine Bemerkung machte, die Priscilla zu einer heftigen Reaktion veranlasste. Es gab eine Balgerei mit Kratzen und Beißen, bei der das kleinere Mädchen den Hauptteil abbekam, ehe die beiden endlich von der Turnlehrerin getrennt und der Rektorin vorgeführt wurden. Priscilla stand mit steinerner Miene da und sagte kein Wort, während Louise schluch-zend erklärte, Cill habe sie an den Haaren gezogen und versucht, sie wieder zum

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