Der Automatische Detektiv
Stunden und zwanzig Minuten tickten in gleichmäßigem Tempo dahin, und nicht ein Mal schien sie mir länger, als sie sein sollte.
Ich muss zugeben, dass ich froh war, als der Morgen kam. Wenn auch nur, damit ich den ersten Schritt auf meiner aktuellen Zielvorgabenliste abhaken konnte. Der nächste war, Jung zu sagen, dass ich heute nicht zur Arbeit gehen würde.
»Irgendwelche Gründe dafür?«, fragte Jung, als er sein Jackett anzog.
»Private Auszeit«, antwortete ich.
Er warf mir einen misstrauischen Blick zu. Zumindest hielt ich ihn für misstrauisch. Mein Gesichtsausdrucksanalysierer war nicht auf Gorillas ausgerichtet. »Ist alles in Ordnung, Mack?«
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
»Wir sprechen hier nicht von mir.«
Er schwieg und wartete, dass ich etwas sagte. Die Nuancen spontaner Konversation entgingen mir manchmal, also sagte ich nichts.
»Verdammt, Mack! Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest!«
Ich sagte wieder nichts.
Jungs Oberlippe zuckte und entblößte einen einzelnen weißen Reißzahn. Ich hatte ihn nur einmal die Beherrschung verlieren sehen, nachdem es jemand bei der Arbeit lustig gefunden hatte, Jungs Ausgabe von Stolz und Vorurteil zu verstecken. Er hatte es zuerst ganz gut aufgenommen, aber der Witzbold hatte den Scherz nicht früh genug beendet und sah sich plötzlich einer schäumenden, sich auf die Brust trommelnden Urbestie gegenüber. Niemand wurde verletzt, aber das wäre vielleicht nicht der Fall gewesen, wenn ich Jung nicht zurückgehalten hätte. Danach stellte sich niemals wieder jemand zwischen einen Achthundert-Pfund-Gorilla und Jane Austen.
Davon abgesehen hatte ich ihn nie anders als vollkommen höflich, zugeknöpft und korrekt erlebt. Er konnte auf trockene Art bitter sein, wenn er seinen Verdruss über die Absurdität der Welt ausdrückte, aber er zeigte es selten.
»Da du gerade mal knapp zwei Jahre alt bist, Mack, werde ich dir erklären, wie diese Freundschaftssache funktioniert. Freunde helfen einander. Das ist eines der großen Themen, wenn man befreundet ist. Andernfalls sind wir nur zwei Typen, die sich kennen.«
»Du hast mir einen Platz zum Aufladen gegeben«, sagte ich. »Ich weiß das zu schätzen, aber du musst dich nicht noch mehr kümmern.«
»Verdammt! Es geht hier nicht darum, was ich muss!« Er schlug seine dicken grauen Hände gegen meinen Metallbauch. Hart genug, um einen Schädel einzuschlagen, aber nicht genug, um mich ins Wanken zu bringen. »Vergiss es. Weißt du was, Mack, selbst für eine unbarmherzige Tötungsmaschine bist du ein ganz schön verschlossener Hurensohn!«
Jung schlingerte mürrisch zur Tür.
»Ich könnte einen Mantel gebrauchen«, sagte ich.
Er wandte sich um und nickte. »Schau in meinen Schrank. Ich hab einen, der mir zu groß ist, der müsste dir passen.« Er grinste. Zumindest dachte ich, das täte er. »Und pass diesmal auf. Du schuldest mir immer noch was für die Weste.«
»Danke.«
Er wedelte mit den Händen, wie um die Dankbarkeit wegzufegen. »Und, Mack: Wo immer du da reingeraten bist, sei vorsichtig!«
»Es ist nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, Jung.«
»Tu mir einen Gefallen und sei trotzdem vorsichtig.«
Ich fand einen hübschen grauen Trenchcoat, der dem Gorilla ein bisschen zu groß war, mir aber perfekt passte. Ich war größer als Jung, deshalb ging er mir nur bis zur Schenkelmitte, aber da ich nicht nach etwas suchte, das die Kälte abhalten sollte, war es mir egal. Ich fand einen alten Bowlerhut, der schon länger nicht getragen worden war, was man an dem Staub erkennen konnte, der ihn bedeckte. Kleidung diente bei den meisten Robotern keinem praktischen Zweck, vor allem galt dies bei den wasserfesten wie mir, aber automatische Bürger neigten dazu, sich in ein oder zwei Stücke Garderobe zu hüllen, wenn auch nur, um sich – über die rote Lackierung hinaus, die alle Robos erhielten – noch weiter von den anderen Drohnen und Automatischen, die die Stadt bewohnten, zu unterscheiden.
Es steckte natürlich noch mehr dahinter. Automaten mit hoch entwickelten Programmierungen begannen, affektierte Angewohnheiten aus ihrer Umgebung zu absorbieren. Robos mit vollem Bewusstsein waren noch anfälliger für solche Eigenarten. Ich war da keine Ausnahme. Ob es eine unterbewusste Motivationsdirektive war, die mich in Richtung der vollständigen Assimilation trieb, oder ein Defekt in meiner Verhaltenssoftware, das wusste ich nicht. Es interessierte
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