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Der Automatische Detektiv

Der Automatische Detektiv

Titel: Der Automatische Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Akte. Ob er mir traute oder nicht – ihm waren die Menschen dieser Stadt nicht gleichgültig. All diese kleinen Leute, die durch Empires System rutschten, beschäftigten ihn. Das war der Grund, warum er mir diese Akte gab. Er wusste verdammt gut, dass man mir nicht trauen konnte. Zum Teufel, nicht mal ich selbst traute mir! Ich war ungetestete Hardware auf dem Weg in eine heikle Situation. Ich war nicht auf Zartgefühl programmiert.
    Ich scannte kurz alle Seiten in dem Ordner und warf ihn ihm wieder zu. »Danke, Sanchez.« Dann tat ich vorsichtig einen Schritt rückwärts durch die Tür und wandte mich zum Gehen.
    »Mack«, sagte Sanchez, »versprich mir, dass ich das nicht bereuen werde.«
    Die Sache konnte auf zweitausenddreiundfünfzig Arten schiefgehen, und alle endeten damit, dass die Bleakers nie gefunden wurden und ich ein Schrotthaufen war. Sanchez wollte das nicht hören. Biologische stellten gern Fragen, auf die sie die Antwort bereits kannten, und zwar in der Hoffnung, stattdessen die Antwort zu bekommen, die sie hören wollten.
    »Wahrscheinlich, Sanchez«, antwortete ich ehrlich. »Wahrscheinlich.«
     

SECHS
     
    Vierarms richtiger Name war Tony Ringo. Er war ein Kleinkrimineller, der im zarten Alter von zwölf Jahren das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war und, seit er mit sechzehn Berufsganove geworden war, ständig die Seiten der Gefängnismauern wechselte. Sein Vorstrafenregister zeigte eine wenig bemerkenswerte Karriere von Bagatelldiebstählen, unproduktivem Ärgermachen und einer unausgereiften, erfolglosen Schutzgelderpressung. Bisher war er keine große Gefahr für irgendwen gewesen, und eigentlich war der beste Hinweis seiner Unfähigkeit ein fehlgeschlagener Raubversuch, bei dem das Opfer den Spieß umgedreht und Ringo nach Strich und Faden verprügelt hatte. Er besaß keine bekannten Verbindungen, keine Quellen, kein Talent. Ein reiner Möchtegern, der zu viele Cagney-Filme gesehen hatte und dachte, er hätte das Zeug, es zur Weltspitze zu bringen, obwohl der Rest der Welt deutlich anderer Meinung war.
    Verlierer wie Ringo tauchten nicht mit Teleportationstechnologie und Truppen von Kampfdrohnen aus dem Nichts auf. Es gab einen alten Roboterspruch: Das geht nicht auf. Natürlich war die Realität keine hübsche und saubere Mathegleichung. Sie hatte zu viele Variablen. Trotz der vielen Vorteile meines eleganten elektronischen Gehirns gegenüber den matschigen chemischen Klumpen der Biologischen war Spekulation nicht meine stärkste Subroutine. Wenn die Parameter einmal zu abstrakt wurden, die Situation zu überlastet mit Unbekannten, brachte ich da keinen rechten Sinn hinein.
    Da mir diese Einschränkung bewusst war, versuchte ich es gar nicht erst. Ich nahm das, was ich wusste. Tony Ringo war meine einzige Spur, und wenn ich ihn erst gefunden hatte, würden sich hoffentlich mehr von diesen Variablen zu etwas verfestigen, das einen Sinn ergab.
    Der Gedanke, dass Ringo überhaupt nichts mit dem Verschwinden der Bleakers und dem Angriff auf mein Apartment zu tun haben könnte, kam mir gar nicht. Wenn er mich nirgendwo hinführte, war ich als Maschine nicht hoch genug entwickelt, um die Bleakers auf anderem Wege ausfindig zu machen. Es würde mich der Verantwortung entheben. Ich konnte, in dem Wissen, dass ich es versucht hatte, mit reinem Gewissen meiner Wege gehen.
    Da war bereits dieser kleine Echoimpuls in meinen Motivationsdirektiven, dieser kleine, nagende Gedanke, dass Versagen als nicht akzeptabel galt. Ich war nicht dafür konstruiert, klein beizugeben. Dieser winzige Echoimpuls, der Drang, etwas zu zerstören, lungerte nun schon seit einiger Zeit auf meiner Persönlichkeitsmaske herum. Bisher war es mir gelungen, ihn zu unterdrücken, weil mein Glitch dafür sorgte, dass ich keinen Grund sah, weshalb ich jemanden verletzen sollte, nur weil ein Verrückter diese Codezeile in mich hineinprogrammiert hatte. Doch selbst der freie Wille hatte mir den Drang dazu nicht vom Leib gehalten. Und Ringos Fortleben in dieser Stadt bedeutete mir nichts, vor allem im Vergleich zum Wohlergehen von Julie und den Kindern.
    Falls ich Ringo fand, würde ich nicht die Cops rufen. Meine operativen Dateien öffneten ein paar reizende Leckerbissen über Foltertechniken, die Professor Megalith, der umsichtige und geniale Bösewicht, in meiner Programmierung installiert hatte. Ich beschloss, die hässlicheren davon nicht an Ringo auszuprobieren. Zumindest nicht sofort.
    Empires verschiedene

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