Der Azteken-Götze
Eingang.
Nichts rührte sich dort.
Fliegen summten, die Sonne sandte ihre grellheißen Strahlen auf die hellen Mauern. Sie spiegelten sich in den Gitterstäben vor den schmalen Fenstern.
War die Station verlassen worden?
Abe konnte es sich nicht vorstellen, doch er mußte den Tatsachen ins Auge sehen, und die deuteten auf nichts anderes hin. Über seine Lippen drang ein leiser Fluch, als er den ersten Schritt auf die Straße setzte. Von der rechten Seite raste ein Fahrzeug heran. Es war ein Station Car, überzogen mit einer rötlichbraunen Schicht aus Staub. Abe mußte zurückspringen, sonst hätte ihn der Fahrer noch erwischt. Er fluchte hinter dem Fahrzeug her, obwohl er wußte, daß es keinen Sinn hatte.
Er überquerte die Straße. Und wieder merkte er die Kälte in seinem Nacken. Als hätte ihm jemand einen Eisbeutel auf die Rückseite des Halses gelegt, nur kam diese Kälte von innen, und das war für den Gman schlimm. Er sah sie als eine Warnung vor dem an, was möglicherweise auf ihn zukommen konnte.
Er blieb vor der Station stehen. Auf dem Dach befanden sich zwei Antennen.
Die eine lang und spitz, die andere breit, wie ein schräges Viereck. Auf ihr hatten dunkle Vögel ihre Plätze gefunden, die über den Rand des Dachs hinweg auf die Straße glotzten, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen.
Die Vögel erinnerten den Mann an düstere Todesboten, und als er höher schaute, den Blick dabei von der Sonne wegdrängte, da sah er auch die großen Tiere, die im Blau des Himmels ihre Kreise zogen. Das konnten nur Geier sein.
Und Geier waren dort, wo es für sie etwas zu fressen gab. Aas, zum Beispiel…
Sein Magen krampfte sich bei diesem Gedanken zusammen. Abe spürte den Druck im Kopf. Das miese Gefühl verstärkte sich noch mehr. Obwohl äußerlich nicht sichtbar, hatte sich hier einiges verändert, und er merkte die Furcht wie einen dumpfen Druck.
War es Angst, die ihn umkrallte? Ihn, der in diesem gottverlassenen Kaff stand, und der durch alle New Yorker Höllen gegangen war? Es konnte auch an der fremden Umgebung liegen. In New York kannte ersieh aus, hier stand er allein, obwohl die Polizisten schon auf seiner Seite waren. Seltsamerweise erhoffte er sich von ihnen keine Hilfe, und das wiederum machte ihn nachdenklich.
Sein Vertrauen zu Manuel Costa war dahin, und dies wiederum mußte einen Grund haben, den er bisher spüren, aber nicht sehen konnte. Etwas drang in seine Nase, mit dem er überhaupt nicht einverstanden war. Er nahm den Geruch erst auf, als er den Gehsteig dicht vor dem Eingang erreicht hatte. So süßlich und widerlich roch nur Blut. Altes Blut, das in der Hitze gelegen und sich schon verändert hatte. Abe lockerte seine Waffe. Er schwitzte noch stärker. Die Sonne brannte jetzt gegen seinen Rücken und schien ihn austrocknen zu wollen. Wenn er Luft holte, hatte er das Gefühl, sie zu trinken. Die Angst vor dem Kommenden drückte seinen Magen noch mehr zusammen. Er mußte sich überwinden, um die nächsten Schritte zu gehen. Die Eingangstür war nicht verschlossen. Als er sie aufdrückte, drang ihm ein Schwall dumpfer, abgestandener Luft entgegen, die ihm beinahe den Atem raubte.
Fliegen summten und tanzten ihm entgegen. Der Blutgeruch hatte sich verstärkt. Hinter ihm fiel die Tür zu.
Er ging noch einen Schritt vor, schaute zu Boden. Da sah er die Flecken. Ziemlich groß und an den Rändern auseinandergefasert. Das war kein Wasser, das war Blut, dessen Spuren er genau verfolgen konnte. Nichts rührte sich in dieser Polizeistation. Die Stille war bedrückend, und die Beamten schienen den Bau verlassen zu haben, wobei ihm auch noch eine andere Möglichkeit in den Sinn kam.
Er brauchte sich nur das Blut anzuschauen, um daraus folgern zu können, daß sie möglicherweise…
Nein, er wollte nicht weiterdenken.
Der Gang endete vor einer Tür. Abe wußte, daß dahinter die Zellen lagen.
Ziemlich viele sogar, denn in Border Town war einiges los. Meist tobten die Gefangenen, beschwerten sich, machten Randale, doch an diesem Morgen war nichts zu hören.
Er traute sich noch nicht, die Zellen zu untersuchen. Zunächst wollte er herausfinden, was mit Manuel Costa geschehen war, und er öffnete die Tür zum Wachraum.
Dort sah er einen leeren Schreibtisch, leere Stühle und Akten, die auf dem schmutzigen Fußboden lagen. Ebenso wie Telefonapparate und andere Gegenstände.
Wer hier eingedrungen war, hatte ein Chaos hinterlassen!
»O Scheiße«, sagte Abe Douglas und zog seinen
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